Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prozesskostenhilfe bei Erledigung der Hauptsache vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage
Leitsatz (amtlich)
1. Erledigt sich die Hauptsache vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage, so muss der Kläger die Zustellung der Klage verhindern bzw. die Klage zurücknehmen.
2. Es gehört zu den mit der Büroorganisation verbundenen Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts, bei feststehender sowie unvorhersehbarer Abwesenheit von Büropersonal die Bearbeitung von laufendlen Verfahren sicherzustellen. Besonders gilt dies bei gleichzeitiger Abwesenheit mehrerer Mitarbeiter; insoweit trifft den Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfaltspflicht.
3. Erledigt sich die Hauptsache, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht, es sei denn, der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde durch das Gericht verzögerlich behandelt.
Normenkette
ZPO §§ 114, 269
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Beschluss vom 23.11.2006; Aktenzeichen 52 F 279/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das AG hat mit zutreffenden Erwägungen auf Grund mutwilligen Verhaltens des Klägers i.S.d. § 114 ZPO die begehrte Prozesskostenhilfe versagt.
1. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OLG Brandenburg v. 21.12.2005 - 9 WF 353/05, MDR 2006, 1118 = OLGReport Brandenburg 2006, 305; OLG Brandenburg v. 25.2.2003 - 9 WF 23/03, FamRZ 2003, 1760).
a) Hier ist zu beachten, dass noch am 19.9.2006 der Beklagte, nachdem er beim Jugendamt die Urkunde über den Unterhalt unterzeichnet hatte, bei der Vertreterin des Klägers in deren Büro anrief und dies anzeigte. Zwei Tage später ging bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Urkunde ein, die diese sodann als Erfüllungshandlung angenommen hat.
Eine verständige Partei hätte daraufhin die Klage zwecks Kostenminimierung sogleich zurückgezogen. Unter Berücksichtigung dessen war die Prozessbevollmächtigte des Klägers gehalten, schnellstmöglich die bereits eingereichte Klage zurückzuziehen und somit das Entstehen von Kosten bestmöglich zu verhindern. Dazu hat sie sich aber annähernd drei Wochen Zeit gelassen und deshalb angesichts des Umstandes, dass ein schnelles und zügiges Handeln geboten war, verschuldet verhalten. Das insoweit mit dem verzögerten Verhalten, verbundene mit dem zeitweiligen Aufrechterhalten der eingereichten Klage stellt sich daher insgesamt als mutwilliges Verhalten dar, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kam.
b) Dass insoweit das verzögerte Verhalten auf Mängel in der Büroorganisation zurückzuführen ist, ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers erst recht anzulasten. Diese Organisationsmängel beruhen darauf, dass der Rechtsanwalt urlaubsbedingte Abwesenheiten von sich selbst bzw. seinen Büroangestellten auszugleichen hat, d.h., er muss den ordnungsgemäßen Betrieb seines Büros insoweit sicherstellen, als er mit dem Eingang von Schreiben bzw. Schriftsätzen angesichts laufender Prozesse rechnen muss. Es gehört zu den mit der Büroorganisation verbundenen Sorgfaltspflichten des Rechtsanwaltes, bei feststehender wie unvorhersehbarer Abwesenheit von Büropersonal die Bearbeitung von laufenden Verfahren sicherzustellen. Besonders gilt dies bei gleichzeitiger Abwesenheit mehrerer Mitarbeiter, insoweit trifft den Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. auch Musielak/Grandel, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 233 Rz. 12 für Fristenangelegenheiten). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung, dass hier jedenfalls unmittelbar zuvor Gespräche über die Titulierung der begehrten Unterhaltsforderung zwischen den Parteien geführt wurden und dann auch tatsächlich am 19.9.2006 die Mitteilung über die erfolgte Titulierung im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers einging.
2. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen kann Prozesskostenhilfe aber schon deshalb nicht bewilligt werden, weil sich das Verfahren nunmehr erledigt hat. Erledigt sich die Hauptsache, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf Grund des Nichtbestehens von Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Etwas anderes gilt dann, wenn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Gericht verzögerlich behandelt wurde (Musielak/Fischer, a.a.O., § 114 Rz. 18). Anhaltspunkte für ein verzögertes, d.h. verschuldetes Verhalten des Gerichtes bei der Entscheidung über die begehrte Prozesskostenhilfe bestehen nicht. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung dessen, dass bereits einen Tag nach Absendung der Klage an das Gericht das erledigende Ereignis eingetreten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1801661 |
FamRZ 2007, 909 |