Leitsatz
Kernproblem des Falles war die Frage, ob nach Einreichung einer erfolgversprechenden Klage, verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag, ausnahmsweise Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, wenn vor Rechtshängigkeit eine Hauptsachenerledigung eintritt.
Sachverhalt
Der Kläger hatte gegen seinen Vater Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt beim FamG erhoben und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Vor Zustellung der Klage hat der Beklagte beim Jugendamt eine Verpflichtungserklärung abgegeben und dies auch umgehend dem Prozessbevollmächtigten des Klägers angezeigt. Zwei Tage nach Errichtung der Urkunde beim Jugendamt ging sie beim Prozessbevollmächtigten des Klägers ein, der diese als Erfüllungshandlung annahm. Drei Wochen später nahm der Kläger, nachdem Hauptsachenerledigung eingetreten war, die Klage zurück und begehrte weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Das erstinstanzliche Gericht hat seinem Antrag nicht stattgegeben. Die hiergegen von ihm eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des AG, wonach dem Kläger aufgrund mutwilligen Verhaltens i.S.d. § 114 ZPO Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren war.
Mutwillig sei die Rechtsverfolgung dann, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OLG Brandenburg v. 21.12.2005 - 9 WF 353/05, MDR 2006, 1118 = OLGReport Brandenburg 2006, 305; OLG Brandenburg v. 25.2.2003 - 9 WF 23/03, FamRZ 2003, 1760).
Der Beklagte habe noch am Tage der Errichtung der Urkunde beim Jugendamt bei der Vertreterin des Klägers in deren Büro angerufen und dies angezeigt. Zwei Tage später sei die Urkunde bei ihr eingegangen, die diese sodann als Erfüllungshandlung angenommen habe.
Eine verständige Partei hätte nach Eintritt der Hauptsachenerledigung zwecks Kostenminimierung die Klage sogleich zurückgenommen. Dazu habe sich der Kläger jedoch annähernd drei Wochen Zeit gelassen und somit schuldhaft gehandelt. Die damit verbundene Aufrechterhaltung der eingereichten Klage stelle sich insgesamt als mutwilliges Verhalten dar, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht komme.
Das insoweit verzögerte Verhalten sei auch nicht entschuldbar. Der Kläger müsse sich insoweit die bei seinem Prozessbevollmächtigten zu beanstandenden Organisationsmängel anrechnen lassen. Bei urlaubsbedingter Abwesenheit des Anwalts oder feststehender oder unvorhergesehener Abwesenheit seiner Büroangestellten habe der Rechtsanwalt den ordnungsgemäßen Betrieb seiner Kanzlei auch insoweit sicherzustellen, dass eingehende Schreiben bzw. Schriftsätze angesichts laufender Prozesse sofort bearbeitet werden könnten. Dies gelte insbesondere bei gleichzeitiger Abwesenheit mehrerer Mitarbeiter einer Kanzlei.
Ungeachtet dessen könne Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht bewilligt werden, weil sich das Verfahren nunmehr erledigt habe. Erledige sich die Hauptsache, komme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgrund des Nichtbestehens von Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Gericht verzögerlich behandelt worden sei. Anhaltspunkt hierfür beständen nicht.
Hinweis
Tritt in einem gerichtlichen Verfahren Hauptsachenerledigung ein, ohne dass die Klage rechtshängig geworden ist, kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. In solchen Fällen ist die sofortige Klagerücknahme geboten. Über die Kosten des Rechtsstreits hat das Gericht gem. § 269 Abs. 2 S. 3 ZPO zu entscheiden.
Rückwirkend kann PKH trotz der Beendigung der Instanz nach der Rechtsprechung allenfalls dann bewilligt werden, wenn das Gericht die PKH-Bewilligung bereits vor Beendigung hätte aussprechen müssen (KG, Beschl. v. 05.07.1999 in FamRZ 2000, 838).
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist Prozesskostenhilfe auch dann zu bewilligen, wenn das Gericht innerhalb des PKH-Verfahrens praktisch den Hauptsacheprozess betreibt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.1995 in FamRZ 1996, 416).
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19.01.2007, 9 WF 8/07