Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafzumessung bei Straftaten mit Bagatellcharakter. Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des gerechten Schuldausgleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Strafzumessung (§§ 46, 47 StGB) wegen der Begehung von Leistungserschleichung durch "Schwarzfahren" (§ 265 a StGB) ist der Bagatellcharakter der Tat (Wert der erschlichenen Leistung hier 1,20 ) mit Blick auf den gerechten Schuldausgleich und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besonders zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 17.07.2008; Aktenzeichen 27 (9) Ns 69/08)

AG Brandenburg (Aktenzeichen 25 Ds 368/07)

 

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil der 9. kleinen Hilfsstrafkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. Juli 2008 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat die Angeklagte am 3. April 2008 wegen Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Auf die durch die Angeklagte eingelegte Berufung hat das Landgericht Potsdam die Angeklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hält die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei der Besonderheit der Tat für eine unverhältnismäßige Rechtsfolge. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hält die Revision für begründet.

Die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung ergibt, dass der Rechtsfolgenausspruch des landgerichtlichen Urteils keinen Bestand haben kann, weil er auf einer rechtsfehlerhaften Erfassung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nach § 47 Abs. 1 StGB und auf der Verletzung des Gebots schuldangemessenen Strafens (Übermaßgebot) beruht.

Das angefochtene Urteil enthält zum Tatgeschehen u.a. folgende Feststellungen:

"1. Am 27. Oktober 2007 fuhr die Angeklagte ohne gültigen Fahrausweis mit dem Stadtbus der Linie -... in B... um 10.46 Uhr in Richtung ...straße. ......Die Angeklagte kannte aus vorangegangenen, von ihr vorgenommenen Fahrten ohne Fahrausweis die Bedeutung der Unterzeichnung der Beanstandungsschreiben der Verkehrsbetriebe B... sowie ihre dann bestehende Pflicht zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes von 40,-€. ...

2. Drei Tage später, am 29. Oktober 2007 fuhr die Angeklagte in B... mit der Straßenbahnlinie ... in Richtung ...-Allee. Sie hatte an diesem Tag soeben die ihr auferlegte gemeinnützige Arbeit erledigt. Einen gültigen Fahrausweis für die Nutzung der Straßenbahn hatte sie jedoch nicht. Dies wusste sie und entsprach ihrem Willen. ......"

Zur Strafzumessung führt das Berufungsgericht folgendes aus:

"Bei der Strafzumessung für die Tat zu 1. war innerhalb des Strafrahmens des § 265 a Abs. 1 zugunsten der Angeklagten ihr Geständnis zu berücksichtigen. Auch ihre eingeschränkten finanziellen Mittel waren ihr zugute zu halten. Zudem war zu bedenken, dass sie wegen dieser Tat mit dem Widerruf der beiden offenen Strafaussetzungen zur Bewährung rechnen muss, was ihr strafmildernd als Härteausgleich zugute kommen muss.

Auf der anderen Seite fiel erheblich zu ihrem Nachteil ins Gewicht, dass sie die vorliegende Tat während zweier offener Bewährungszeiten begangen hat, die zudem ebenfalls den Tatvorwurf des Erschleichens von Leistungen betrafen. Auch wurde die Schuld der Angeklagten weiter dadurch erhöht, dass sie insgesamt bereits wegen 30 einschlägiger Strafen zum Zeitpunkt der Tat vorbestraft war.

Angesichts dessen kam eine Geldstrafe zur Ahndung der Tat hier nicht in Betracht. Vielmehr war ausnahmsweise nach § 47 Abs. 1 StGB wegen besonderer Umstände in der Persönlichkeit der Angeklagten aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe unerlässlich. Nach Überzeugung der Kammer zeigen die strafschärfenden Strafzumessungstatsachen, dass allenfalls die Verhängung einer Freiheitsstrafe geeignet ist, sie von weiteren Straftaten, insbesondere des Erschleichens von Leistungen abzuhalten. Die Kammer hat deshalb auf eine Freiheitsstrafe von 3 (drei) Monaten erkannt, die tat- und schuldangemessen ist.

Bei der Strafzumessung betreffend die Tat zu 2. sprach wiederum zugunsten der Angeklagten, dass sie die Tat im Laufe der Hauptverhandlung eingestanden hat. Zudem war ihr wiederum ein Härteausgleich zugute zu halten, weil sie auch wegen dieser Tat mit dem Widerruf der beiden offenen Bewährungen rechnen muss.

Erheblich zu ihren Lasten musste sich jedoch die bereits hinsichtliche Tat zu 1. wiedergegebenen erheblichen Strafzumessungsgründe auswirken. Zu jenen kam hier noch hinzu, dass sie die vorliegende Tat nur drei Tage nach der vorangegangenen Tat zu 1. b...

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