Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 21.01.2003; Aktenzeichen 11 Kls 10/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten zu 2. gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 21. Januar 2003 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die 3. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin - Wirtschaftsstrafkammer - verurteilte den Beschwerdeführer nach 15-tägiger Hauptverhandlung am 18. Juli 2001 wegen Betruges in neun Fällen, versuchten Betruges in drei Fällen, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen, falscher Angaben zum Zweck der Eintragung einer GmbH in zwei Fällen und wegen Verstoßes gegen ein Berufsverbot zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof das Urteil im Schuldspruch insoweit auf, als der Angeklagte wegen Betruges und versuchten Betruges sowie Vorenthaltens von Arbeitsentgelt verurteilt worden war; insoweit verwies es "Zwischenrechtsbehelf"die Sache unter gleichzeitiger Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches an eine andere Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurück.
Die Hauptverhandlung vor der nunmehr zuständigen ersten großen Strafkammer des Landgerichts hat am 14. Januar 2003 begonnen und wird jedenfalls bis 7. April 2003 in mindestens 15 Sitzungsterminen durchgeführt werden.
Am 15. Januar 2003 hat der Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers in dessen Namen beantragt, diesem Rechtsanwalt W... aus B... als zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen. Der Vorsitzende der Strafkammer hat dies im Sitzungstermin vom 21. Januar 2003 mit der Begründung abgelehnt, weder auf Grund des Umfangs noch wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bestehe ein unabweisbares Bedürfnis, zur Sicherstellung einer ausreichenden Verteidigung einen weiteren Verteidiger zu bestellen. Auch die voraussichtliche Verfahrensdauer berge mit etwa 12 Verhandlungstagen nicht die ernsthafte Gefahr, dass es infolge einer Verhinderung des bereits bestellten Pflichtverteidigers zu maßgeblichen Verfahrensverzögerungen komme. Einzelnen Terminskollisionen habe der Pflichtverteidiger "mit Nachdruck entgegenzutreten;" notfalls müsse er weitere Mandate ablehnen. Im Übrigen sei das Gericht bereit,"gut instruierte Rechtsanwälte an einzelne Verhandlungstagen ersatzweise zum Pflichtverteidiger zu bestellen, oder - als letztes Mittel - einzelne Fortsetzungstermine aufzuheben."
Hiergegen wendet sich der Angeklagte zu 2. mit seiner Beschwerde vom 22. Januar 2003. Er macht geltend, die endgültige Dauer der Verhandlung stehe derzeit noch nicht fest; vielmehr sei zu befürchten, dass sich die Hauptverhandlung über erhebliche Zeiträume erstrecken werde, hinsichtlich derer Terminskollisionen mit vom Pflichtverteidiger übernommenen Mandaten in so genannten Haftsachen entstehen könnten. Die Sach- und Rechtslage sei zudem schwierig, da nach den Anklagevorwürfen "komplexe rechtsgebietsübergreifende Probleme" zu bewältigen seien und der Verfahrensstoff "mit 8 Bänden Strafakten, 7 Sonderheften, 1 Ladungssonderheft, 1 Protokollheft sowie 3 Sonderbänden äußerst umfangreich" sei.
II.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat der Strafkammervorsitzende die Beiordnung von Rechtsanwalt W... als weiterem notwendigen Verteidiger des Angeklagten zu 2. abgelehnt.
1.
Die Beschwerde ist allerdings nicht bereits unzulässig, insbesondere nicht unstatthaft. Denn Entscheidungen des Gerichtsvorsitzenden über die Bestellung bzw. Abbestellung eines Pflichtverteidigers unterliegen in jeder Lage des Verfahrens - auch wenn sie in der Hauptverhandlung ergehen - nach § 304 Abs. 1 StPO der Beschwerde. § 305 S. 1 StPO steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Denn es handelt sich vorliegend nicht um eine Entscheidung des "erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgeht" (vgl. RGSt 67, 310, 312; OLG Hamm NJW 1973, 818; OLG Zweibrücken VRS 50, 437; Karlsruhe NJW 1978, 1064). Dies folgt indes nicht schon daraus, dass sich das Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichtsvorsitzenden richtet. § 305 StPO unterfallen nämlich nicht lediglich Entscheidungen des erkennenden "Gerichts", sondern auch Entscheidungen, die von dessen Vorstand getroffen worden sind (OLG Stuttgart NJW 1976, 1647; OLG Düsseldorf StV 1986, 239, 240).
Entscheidend ist aber, dass der angegriffene Beschluss nicht in dem in § 305 S. 1 StPO vorausgesetzten inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht. Die prozessuale Bedeutung der Nichtzulassung eines weiteren Pflichtverteidigers geht über die Vorbereitung der Endentscheidung der Kammer vielmehr hinaus; sie sichert das justizförmige Verfahren (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, § 141 Rz. 47; a.a.O. § 305 Rz. 18).
Auch § 238 Abs. 2 StPO steht der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen, weil der darin normierte auf die durch §§ 140 ff. StPO speziell dem Gerichtsvorsitzenden übertragenen Entscheidungen über die Pflichtverteidigerbestellung keine Anwendung findet (vgl. OLG Hamm StV 1995, 64).
2.
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sach...