Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Entzug des der Kindesmutter zustehenden Sorgerechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Vernachlässigung des Kindes i.S.d. § 1666 Abs. 1 BGB liegt nur vor, wenn der Sorgeberechtigte ausreichende Maßnahmen unterlässt, die unter Berücksichtigung der sozialen und ökonomischen Situation der Familie eine ungestörte und beständige Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege des Kindes gewährleisten.
2. Der Hinweis darauf, die Familie der sorgeberechtigten Mutter sei amtsbekannt, stellt keine Begründung für die Entziehung des Sorgerechts oder eine Inobhutnahme dar.
3. Zum gerichtlichen Appell an die Mutter, einer Ausweitung des Sorgerechts auf den das Kind tatsächlich betreuenden Vater mitzuwirken.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 03.12.2007; Aktenzeichen 34 F 310/06) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 3.12.2007 - Az.: 34 F 310/06 - aufgehoben.
II. Die Anträge des Jugendamtes und des Kindesvaters auf Entziehung des elterlichen Sorgerechts der Kindesmutter und Übertragung desselben auf den Kindesvater werden zurückgewiesen.
III. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Kosten werden nicht erstattet.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des nicht ehelich geborenen Kindes L. S. Die Kindesmutter hatte das alleinige Sorgerecht. Sie war bei der Geburt des Kindes noch minderjährig. Die zunächst bestehende Vormundschaft des Landkreises O. für das Kind wurde mit Eintritt der Volljährigkeit der Kindesmutter am ... 4.2006 beendet. Das vorliegende Verfahren wurde eingeleitet mit Antrag des Jugendamtes des Landkreises O. vom 14.12.2006. Das Jugendamt hatte L. in Obhut genommen und in Bereitschaftspflege untergebracht. Mit Bericht vom 14.12.2006 teilte das Jugendamt mit, schon die Familie der Eltern der Kindesmutter habe für verschiedene Kinder Familienhilfe erhalten. Die Kindesmutter sei als Jugendliche mehrfach von zu Hause abgängig gewesen. Die Eltern der Kindesmutter hätten ein Alkoholproblem, es bestünden schlechte Wohnverhältnisse, Armut und Arbeitslosigkeit, mangelnde Berufsausbildung und chronische Partnerschaftsprobleme, die Erziehungskompetenz sei eingeschränkt. Weiter sei in der jahrlangen Betreuung der Kindesmutter als Jugendlicher festgestellt worden, dass sie stimmungsabhängig und ambivalent im Verhalten auftrete. Es habe Alkohol- und Drogenkonsum stattgefunden. Auch der Schulpflicht sei sie nicht regelmäßig nachgegangen. Es sei zu massiven familiären Konflikten gekommen; Hilfsangebote habe die Kindesmutter nur beschränkt annehmen können. Es habe kein Vertrauensverhältnis ggü. der Familienhelferin gegeben. Die Kindesmutter habe sich kontrolliert und hintergangen gefüllt. Anlässlich der Schwangerschaft sei ambulante Hilfe installiert worden, die je nach Interesse angenommen worden sei. Das Ziel einer Abnabelung von ihren Eltern sei nicht erreicht worden. Sodann habe sich im November 2006 herausgestellt, dass L. seit Ende April 2006 bei der Großmutter lebe. Es müsse deshalb festgestellt werden, dass die in den Hilfeplänen gemeinsam vereinbarten Ziele nicht erreicht wurden. Die Großmutter und eine Schwester der Kindesmutter hätten L. versorgt und betreut. Die Kindesmutter habe den Lebensunterhalt für L. nicht abgesichert, sondern das Geld für sich ausgegeben, u.a. für Drogen und Alkohol. Bedürfnisse und Wünsche ihres Kindes könne die Kindesmutter nicht wahrnehmen, einfühlendes Verständnis liege nur begrenzt vor. Es werde eingeschätzt, dass sich die Kindesmutter nicht um eine entwicklungsangemessene Betreuung kümmern könne. Die Beziehung zum Kindesvater sei wechselhaft. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren sei anhängig. Die Kindesmutter unterbinde den Kontakt des Kindesvaters zu L. Deshalb sei die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie erforderlich, womit die Kindesmutter nicht einverstanden sei. Das Jugendamt beantragte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitsfürsorge sowie des Rechts auf Hilfe zur Erziehung auf den Landkreis.
Mit Beschluss vom 15.12.2006 ordnete das AG im Weg der einstweiligen Anordnung an, dass der Kindermutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge und des Rechtes zur Erziehung entzogen und auf das Jugendamt des Landkreises O. übertragen werde. Hiergegen wendete sich die Kindesmutter mit dem als Beschwerde bezeichneten Antrag vom 2.1.2007, mit dem sie die Aufhebung der einstweiligen Anordnung bzw. deren Überprüfung begehrte.
Die Kindesmutter hat vorgetragen, es sei kein dringendes Bedürfnis für das Einschreiten des Jugendamtes zu erkennen. Die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666a BGB sei nicht geprüft worden. Sie habe seit dem 1.12.2006 eine eigene Wohnung in der Nähe der elterlichen Wohnung. Sie sei bereit, Hilfe anzunehmen. Sie habe seit etwa zwei Monaten keine Drogen mehr konsumiert. Außerdem lebe sie in...