Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Entscheidung vom 26.01.2021; Aktenzeichen 2 OWi 1801 Js-OWi 37691/20 (985/20) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26. Januar 2021 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen verhängte gegen den Betroffenen durch Urteil vom 26. Januar 2021 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht, einem Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht und Einsatzhorn sofort freie Bahn zu schaffen, eine Geldbuße von 240 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene mit seinem Pkw am ... August 2020 gegen 5:10 Uhr die dreispurig ausgebaute Bundesautobahn (X) in Fahrtrichtung ... und näherte sich einem wegen eines Verkehrsunfalls kurz vor der Abfahrt ... gesperrten Streckenabschnitt. Die vor der Unfallstelle zum Stehen gekommenen Fahrzeuge befanden sich auf der rechten und mittleren Spur, während die linke, vom Betroffenen mit seinem Fahrzeug befahrene Spur frei blieb. Zum Fahrverhalten des Betroffenen in dieser Situation und dessen Würdigung wird in den Urteilsgründen u.a. Folgendes ausgeführt:
"Als er beim Annähern Blaulicht erkannte, verringerte er - links bleibend - seine Geschwindigkeit, um sich zu orientieren, und - in dem Wissen, wie eine Rettungsgasse zu bilden ist und welche hohe Bedeutung dies hat - um sich links einzuordnen. Dabei sah er Autos stehen und passierte auch mehrere auf der Mittelspur stehende Fahrzeuge, seiner Erinnerung nach 2-3, ehe er erkannte, dass er bei korrekter Bildung einer Rettungsgasse ganz links der linken Spur Richtung Leitplanke die bisherige Gasse eher blockieren würde. Deshalb entschloss er sich dazu, sich seinerseits in die Mittelspur einzuordnen und lenkte sein Fahrzeug nach rechts. Da die Fahrzeuge hier jedoch so weit aufgerückt waren bzw. Lücken durch andere vorausfahrende und sich dort einordnenden Linksfahrer geschlossen waren, blieb für den Betroffenen keine ausreichende Lücke mehr, sich vollständig in die Spur einzuordnen, weshalb sein Heck schräg in die ‚Rettungsgasse‚ hineinragte. (...) Deshalb konnte ein nachfolgender mit Blaulicht und Sirene fahrender RTW - wobei nicht feststeht, ob der RTW direkt hinter dem Betroffenen fuhr oder erst etwas später auflief - nicht ungehindert passieren, sondern musste hinter dem Betroffenen kurz abbremsen.
(...)
Der Betroffene, der die Unfallsituation vor sich erkannt hatte, hat dabei nicht alles Erforderliche getan, um den nachfolgenden Einsatzkräften, mit denen er hätte rechnen müssen, und zwar mindestens einem RTW, ausreichend Platz zu schaffen, damit dieser ungehindert zur Einsatzstelle gelangen kann. Darauf musste er sich bereits bei Erkennen von Blaulicht vor sich einstellen. Zu dieser Zeit hätte er ausreichend Gelegenheit gehabt, sich auf der Mittelspur einzuordnen."
Das Amtsgericht hat dies als fahrlässigen Verstoß gegen § 38 Abs. 1, 2 StVO gewertet. Der Betroffene habe zwar nicht vorwerfbar gegen die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse verstoßen (§ 11 Abs. 2 StVO), weil er bei insoweit regelgerechtem Ausweichen auf den äußerst linken Bereich der linken Spur eine Durchfahrt für Einsatzfahrzeuge blockiert hätte. Er habe jedoch einem Einsatzfahrzeug mit Blinklicht und Signalhorn nicht sofort freie Bahn geschafft. Der Betroffene habe aufgrund der von ihm erkannten unklaren Verkehrssituation mit erkennbarem Blaulicht vor ihm bei Passieren der auf der Mittelspur haltenden Fahrzeuge bereits damit rechnen müssen, dass weitere Einsatzfahrzeuge folgen. Er hätte sich deshalb rechtzeitig in der mittleren Fahrspur einordnen müssen und habe nicht weiter die freie linke Spur befahren dürfen.
Gegen das Urteil hat der Betroffene durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg und führt zur Freisprechung des Betroffenen.
1. Das Amtsgericht hat zu Unrecht einen Verstoß des Betroffenen gegen die Pflicht bejaht, Wegerechtsfahrzeugen sofort freie Bahn zu verschaffen.
Gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO mit Blaulicht und Einsatzhorn fahrenden Fahrzeugen nicht unmittelbar, nachdem er Blaulicht und Einsatzhorn wahrgenommen hat oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen können (vgl. KG, Beschl. v. 18. Februar 2020 - 3 Ws [B] 11/20 - 162 Ss 167/19, zitiert nach Juris), freie Bahn schafft. Bei unklarer Verkehrslage haben Verkehrsteilnehmer im Zweifelsfall zu warten und hat darüber hinaus dafür Sorge zu tragen, dass sie das Einsatzfahrzeug rechtzeitig hören können (KG aaO.; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht 26. A...