Normenkette
GWB § 97 Abs. 1; GWB § Abs. 2; GWB §§ 99, 101, 107, 114 Abs. 1, § 128 Abs. 3, Abs. 4; VOL/A §§ 26, 26a; ZPO §§ 91, 269 Abs. 3; BVwVfG § 80; GKG § 12a Abs. 2
Verfahrensgang
Vergabekammer des Landes Brandenburg (Aktenzeichen VK 38/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Auftraggebers wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 30.7.2002 – VK 38/02 – aufgehoben.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 26.6.2002 wird zurückgewiesen.
Die im Verfahren vor der Vergabekammer und dem Beschwerdegericht entstandenen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Parteien vor der Vergabekammer sowie durch den Auftraggeber im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Auftraggeber schrieb am 6.4.2002 europaweit die Vergabe einer Beteiligung an einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft mit Mehrheitsbeteiligung seiner Person im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Die zu gründende Gesellschaft sollte mit dem Einsammeln und Befördern von Müll, Sperrmüll etc. im Landkreis des Auftraggebers, Teilgebiet W., für den Zeitraum vom 1.8.2003 bis 31.12.2008 beauftragt werden. Nach der Ausschreibung sollten letztlich drei bis fünf Dienstleister zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
An dem Teilnahmewettbewerb nahmen elf Unternehmen teil. Unter diesen war auch die Antragstellerin, die bereits in den Jahren 1992 bis 2002 für den Auftraggeber auf der Grundlage eines am 31.12.2002 auslaufenden Vertrages derartige Entsorgungsleistungen erbracht hatte. Die Vertragsparteien hatten zunächst beabsichtigt, diesen Vertrag zu verlängern. Demzufolge hatte der Kreistag am 29.3.2001 beschlossen, den Auftraggeber zur Herbeiführung einer Vertragsverlängerung anzuweisen.
Am 6.12.2001 beschloss der Kreistag unter Aufhebung des zitierten Beschlusses stattdessen, die Verwaltung zu beauftragen, für die Erbringung dieser Entsorgungsleistungen ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Auftraggebers zu bilden. Diese Beteiligung einschl. der von der Gesellschaft zu erbringenden Leistungen sollte öffentlich ausgeschrieben werden. Dies geschah am 6.4.2002.
Am 20.6.2002 hob der Kreistag den Beschluss vom 6.12.2001 auf. Er wies die Verwaltung an, die Ausschreibung aufzuheben und die A.-GmbH, deren Alleingesellschafter der Auftraggeber ist, nach Ausläufen des bestehenden Vertrages mit der Abfallentsorgung zu beauftragen. Diesem Beschluss war ein Antrag der SPD-Fraktion des Kreistages vom 17.4./23.5.2002 voraus gegangen, welcher mit einer ins Einzelne gehenden Begründung die Ineffizienz einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft unter finanziellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten darstellte.
Die A.-GmbH ist durch Ausgliederung des kommunalen Eigenbetriebes „Abfallwirtschaft …” aus dem Auftraggeber im Jahre 1999 entstanden. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Übernahme von Aufgaben des Landkreises als Entsorgungsträger im Bereich der Abfallentsorgung. Die A.-GmbH ist weit überwiegend für den Auftraggeber tätig.
Die Antragstellerin wandte sich wegen des Kreistagsbeschlusses vom 20.6.2002 per Telefaxschreiben vom 26.6.2002 an den Auftraggeber, rügte eine drohende Verletzung des § 26 VOL/A und verlangte unter Fristsetzung bis zum 27.6.2002, 11:00 Uhr die Mitteilung des Auftraggebers, dass dieser von der beabsichtigten Aufhebung Abstand nehme.
Der Auftraggeber hob am 27.6.2002 die Ausschreibung auf. Mit Schreiben vom 27.6.2002, der Antragstellerin an diesem Tage um 10:50 Uhr zugegangen, teilte ihr der Auftraggeber unter Bezugnahme auf den Kreistagsbeschluss vom 20.6.2002 die Aufhebung der Ausschreibung mit.
Bereits mit dem am 26.6.2002 bei der Vergabekammer eingegangenen Antrag hatte die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Der Antrag wurde dem Auftraggeber am 27.6.2002, 11:50 Uhr, zugestellt.
Im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin behauptet, es liege eine Scheinaufhebung vor, da tatsächlich der Auftraggeber die Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen auch weiterhin beabsichtige. Die Entscheidung des Auftraggebers verstoße i.Ü. gegen die Gebote der Transparenz und der Gleichbehandlung aller Bieter.
Die Antragstellerin hat die Aufhebung der Ausschreibungsaufhebung sowie die Untersagung der Vergabe der Leistungen an die A.-GmbH begehrt.
Der Auftraggeber hat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages sowie die Vorabgestattung des Zuschlages auf die A.-GmbH begehrt.
Der Auftraggeber hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei schon wegen der Beendigung des Vergabeverfahrens durch die Aufhebung der Ausschreibung unzulässig. Darüber hinaus habe die Antragstellerin einen ihr drohenden Rechtsverlust durch die Aufhebung der Ausschreibung nicht dargelegt. Im Zeitpunkt der Aufhebung der Ausschreibung habe bereits festgestanden, dass die Antragstellerin wegen Unzuverlässigkeit nach Beendigung des Teilnahmewett...