Tenor

Die Beschwerden der Angeklagten zu 3., 4. und 5. gegen den die Beiordnung eines zweiten notwendigen Verteidigers ablehnenden Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts..... vom 4. Januar 2006 werden als unbegründet zurückgewiesen.

Die Angeklagten zu 3., 4. und 5. tragen die Kosten ihrer Rechtsmittelverfahren und die ihnen in diesen entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Gegen die insgesamt sechs Angeklagten ist bei der 1. großen Strafkammer (Schwurgericht) des Landgerichts ...... ein Strafverfahren wegen zweifachen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangenen versuchten Mordes anhängig. ....Ihnen wird vorgeworfen, am 3. Juli 2005 gegen 1:30 Uhr aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses auf der ...........zwei Personen, die sie der sog. linken Szene der Stadt zuzuordnen glaubten, mit Bierflaschen, gezielten Tritten und Schlägen gegen Kopf und Körper angegriffen und erheblich verletzt (Schnittwunde, Hämatome, Gehirnerschütterung) zu haben; den von ihnen für möglich gehaltenen verletzungsbedingt eintretenden Tod der Geschädigten sollen sie billigend in Kauf genommen und aufgrund einer verfestigten rechtsextremen Gesinnung gehandelt haben.

Das Schwurgericht hat die entsprechende Anklage der Staatsanwaltschaft ........zur Hauptverhandlung zugelassen, die am 20. Dezember 2005 begonnen hat und für die zunächst 17 Verhandlungstage vorgesehen sind; zu der Hauptverhandlung sind ein Ergänzungsrichter und zwei Ergänzungsschöffen beigezogen worden. Die Staatsanwaltschaft nimmt an der Hauptverhandlung bislang mit zwei Sitzungsvertretern teil.

Den von den Angeklagten zu 3.,4.und 5. gestellten Antrag auf Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers hat der Vorsitzende des Schwurgerichts durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung abgelehnt, weder aufgrund des Umfangs noch wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bestehe ein unabweichbares Bedürfnis, zur Sicherstellung einer ausreichenden Verteidigung einen weiteren Verteidiger zu bestellen. Auch die voraussichtliche Verfahrensdauer berge - zumal nicht mehrjährig - keine ernsthafte Gefahr, dass es infolge einer Verhinderung des bereits gestellten Pflichtverteidigers zu maßgeblichen Verfahrensverzögerungen komme; einzelnen Terminkollisionen könnte durch Unterbrechungen der Hauptverhandlung, die Beurlaubung gem. § 231 c StPO, das Tätigwerden eines Vertreters gem. § 53 BRAO oder die Bestellung eines anderen Verteidigers bei Eintritt der Verhinderung begegnet werden, wobei die bisher vorgesehenen Sitzungstage allerdings insgesamt mit den Verteidigern abgestimmt worden seien.

Hiergegen wenden sich die Angeklagten zu 3., 4.und 5. mit ihren Beschwerden. Sie machen vor allem geltend, angesichts der zu erwartenden Verfahrensdauer sei bei Eintritt eines Verhinderungsfalls keine sachgemäße Verteidigung mehr möglich; angesichts der Heranziehung von Ergänzungsrichtern und -schöffen sowie des bisherigen Auftretens von zwei Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung tangiere die Verweigerung weiterer Pflichtverteidiger im übrigen die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit.

II.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Zurecht hat der Schwurgerichtsvorsitzende die Beiordnung von weiteren notwendigen Verteidigern für die Angeklagten zu 3., 4.und 5. abgelehnt.

1.

Die Beschwerde ist aber allerdings nicht bereits unzulässig, insbesondere nicht unstatthaft.

Denn Entscheidungen des Gerichtsvorsitzenden über die Bestellung bzw. Abbestellung eines Pflichtverteidigers unterliegen in jeder Lage des Verfahrens - auch wenn sie (wie hier) während laufender Hauptverhandlung ergehen - nach § 304 Abs. 1 StPO der Beschwerde.

§ 305 Satz 1 StPO steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Es handelt sich vorliegend nämlich nicht um eine Entscheidung des "erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgeht" (vgl. RGSt 67, 3110; OLG Hamm NJW 1973, 818; OLG Karlsruhe NJW 1978, 1064; Senat in OLG NL 2003, 261). Dies folgt indes nicht schon daraus, dass sich das Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichtsvorsitzenden richtet. § 305 StPO unterfallen nämlich nicht lediglich Entscheidungen des erkennenden "Gerichts", sondern auch Entscheidungen, die von dessen Vorstand getroffen worden sind (OLG Stuttgart NJW 1976, 1647; OLG Düsseldorf StV 1986, 239). Entscheidend ist aber, dass der angegriffene Beschluss nicht in dem in § 305 Satz 1 StPO vorausgesetzten inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht. Die prozessuale Bedeutung der Nichtzulassung eines weiteren Pflichtverteidigers geht über die Vorbereitung der Endentscheidung der Kammer vielmehr hinaus; sie sichert das justizförmige Verfahren (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, § 141 Rz. 47).

2.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

a)

Es besteht keine dahingehende normative Regelung, unter welchen Voraussetzungen die Mitwirkung mehrerer Verteidiger des Angeklagten im Hauptverfahren geboten ist. § 140 StPO bestimmt lediglich, dass dem Angeklagten ein Verteidiger zu bestellen...

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