Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsabänderungsverfahren: Zurechnung eines fiktiven Einkommens wegen Zumutbarkeit einer Nebenerwerbstätigkeit; Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis bei Bemessung des Selbstbehalts
Normenkette
FamFG § 239 Abs. 1; BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 1; GG Art. 6 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 15.05.2013; Aktenzeichen 21 F 28/12) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 15.5.2013 - Az. 21 F 28/12 - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Urkunde des Jugendamtes des Landkreises ... vom 6.11.2001 - Urkunden-Register-Nr. 615/2001 - wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller dem Antragsgegner zu Händen der Kindesmutter
a) für die Zeit von Januar 2012 bis einschließlich März 2014 Kindesunterhalt i.H.v. insgesamt 5.681,38 EUR sowie
b) ab April 2014 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 193,96 EUR
zu zahlen verpflichtet ist.
Der weiter gehende Abänderungsantrag wird zurückgewiesen
II. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen der Antragsteller zu 85 % und der Antragsgegner zu 15 %.
III. Die sofortige Wirksamkeit der zu Ziff. I. b ergangenen Entscheidung wird angeordnet.
IV. Der Gegenstandswert für das Verfahren erster Instanz wird - in Abänderung der Entscheidung des AG vom 15.5.2013 - auf 4.066,79 EUR festgesetzt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 4.036,84 EUR.
V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die Zeit seit dem 1.1.2012. Der Antragsgegner ist der im Haushalt seiner Mutter lebende Sohn des Antragstellers. Der Antragsteller, den keine weiter gehenden Unterhaltspflichten treffen, hatte sich mit Urkunde des Jugendamtes des Landkreises ... vom 6.11.2001 - Urk.-Reg. Nr. 615/2001 - (u.a.) für die Zeit ab 1.7.2003 zur Zahlung von 107,6 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetragsverordnung abzgl. anrechenbaren Kindergeldes verpflichtet (Bl. 10 GA).
Der Antragsteller ist gelernter Schlosser, hat aber aus gesundheitlichen Gründen zum Verwaltungsfachangestellten umgeschult und war befristet von 2009 bis einschließlich Februar 2011 als Betriebsprüfer bei der Agentur für Arbeit tätig. Er hat am 12.5.2011 einen Schlaganfall erlitten und bezieht mit Wirkung ab dem 1.12.2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die - nach Verlängerung(en) - derzeit befristet ist bis zum 30.11.2015 (Bl. 88 GA). Nach dem Rentenbescheid wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet gewährt, weil sie nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarkts beruht. Ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung besteht bereits jetzt auf Dauer.
Der Antragsteller bewohnt gemeinsam mit seiner Partnerin ein Hausgrundstück, das jeweils im hälftigen Miteigentum der Lebenspartner steht und auf dem - dies ist im Beschwerdeverfahren unstreitig - Finanzierungslasten ruhen, die der Höhe nach dem objektiven Mietwert des Objektes entsprechen. Die Partnerin des Antragstellers ist selbständig erwerbstätig.
Gestützt auf Leistungsunfähigkeit hat der Antragsteller, nachdem eine Verzichtsaufforderung vom 21.12.2011 erfolglos geblieben ist, mit seiner im Januar 2012 eingereichten Antragsschrift die Herabsetzung des Unterhaltstitels ab Januar 2012 auf Null begehrt.
Der Antragsgegner ist dem Abänderungsantrag insgesamt entgegengetreten.
Das AG hat nach Einholung von Sachverständigengutachten zu der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang - auch unter neuropsychologischen Aspekten - eine Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers vorliegt, mit Beschluss vom 15.5.2013 die Jugendamtsurkunde mit Wirkung vom 1.1.2013 dahin abgeändert, dass der Antragsteller zur Zahlung von noch 88 Prozent des Mindestunterhalts abzgl. des hälftigen Kindergeldes verpflichtet ist, und den weiter gehenden Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Für das Jahr 2012 ergebe sich eine volle Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Dieser hätte neben der EU-Rente von 684,05 EUR aus einer Halbtagstätigkeit ein Nebeneinkommen von 400 EUR erzielen können. Ferner sei ihm eine Steuererstattung für die Erwerbstätigkeit aus den ersten beiden Monaten des Jahres 2011 zuzurechnen. Im Kalenderjahr 2013 könne der Antragsteller aus EU-Rente und entsprechenden Nebeneinkünften noch 284,05 EUR monatlich für Unterhaltsleistungen erwirtschaften.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der sein ursprüngliches Ziel im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt weiter verfolgt, also seit Januar 2012 keine Unterhaltsleistungen mehr erbringen will. Er ist der Ansicht, dass die Zurechnung der Steuererstattung für 2011 ausscheiden müsse, weil diese Einkünfte zukünftig nicht mehr zu erwarten seien. Er meint ferner, ihm dürfe realistischerweise ein fiktives (Neben-)Erwerbseinkommen nicht zugerechnet werden. Das AG habe konkrete Verdienstmöglichkeiten für die individuellen Verhältnisse des Antragstellers nic...