Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland an die Republik Türkei zur Vollstreckung einer restlichen Freiheitsstrafe von 19 Jahren, 11 Monaten und 4 Tagen aus dem auf lebenslange Freiheitsstrafe lautenden Urteil, von dem 30 Jahre Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind, des 9. Schwurgerichts in Istanbul vom 14. August 2012 (Nr. 2009/75 esas, 2012/188 karar) wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (...) und Beteiligung an einem Tötungsverbrechen ist - gegenwärtig - unzulässig.

Die Auslieferungshaftbefehle des Senats vom 27. April 2016 und vom 23. Mai 2016 sowie die Haftverschonungsbeschlüsse des Senats vom 8. Juli 2016 und vom 18. November 2016 werden auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg aufgehoben.

Die dem Verfolgten im vorliegenden Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

1. Mit einem Fahndungs- und Festnahmeersuchen haben die türkischen Behörden unter Bezugnahme auf den Vollstreckungshaftbefehl Nr. 2014/1-6439 der Staatsanwaltschaft Istanbul vom 22. Mai 2014 um die Festnahme des Verfolgten mit dem Ziel seiner Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung einer restlichen Freiheitsstrafe von 19 Jahren, 11 Monaten und 4 Tagen aus dem Urteil des 9. Schwurgerichts in Istanbul vom 14. August 2012 (Nr.: 2009/75 esas, 2012/188 karar) wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung an einem Tötungsverbrechen ersucht.

Nach der Sachverhaltsdarstellung durch das türkische Strafgericht soll der Verfolgte als Mitglied der Terrororganisation ... unter dem Decknamen "..." aktiv gewesen sein. Er habe als Mitglied der Terrororganisation am 08. Dezember 2000 in I... zusammen mit S... und dem Angeklagten A... den Kleinlaster des Eigentümers C... mit dem Kennzeichen 1... mit einer Schusswaffe beschossen und dabei C... verletzt. Des Weiteren habe der Verfolgte am 14. Dezember 2000 auf dem Weg zum ... Staudamm in I... auf das Fahrzeug des Geschädigten D... mit dem Kennzeichen 2... zusammen mit dem Angeklagten A... und S... einen bewaffneten Überfall verübt.

Er habe weiterhin am 21. Dezember 2000 in I... am Aufhängen einer Bombenattrappe in Form eines Plakates auf dem geschrieben stand: "Wir begrüßen unsere Krieger im Hungerstreik - ...", "persönlich" teilgenommen. Er habe an diesem Tag an der Protestkundgebung in I... gegen Typ-F-Gefängnisse zusammen mit dem Angeklagten A... und S... teilgenommen. Sie hätten dabei mit einer Waffe geschossen und im Anschluss an der Kundgebung einen Molotowcocktail-Angriff auf die P... in der ...-Straße ... verübt.

Der Verfolgte habe nach der Kundgebung vom 21. Dezember 2000 zusammen mit A..., S... und E... beschlossen, den K..., der im Verdacht stand, für den türkischen Staat zu arbeiten, mit dem Verdacht zu konfrontieren und diesen zu verhören. Sie hätten am 12. Januar 2001 den K... nach X..., verbracht, ihn dort verhört, das Verhör auf Video aufgezeichnet und schließlich festgestellt, dass K... ein Spitzel sei und beschlossen, dass er exekutiert werden müsse. K... sei dann mit einem von dem Verfolgten B... gefahrenen Wagen in die Gegend von Y... gebracht worden. Dort seien die Beteiligten ausgestiegen, hätten das Opfer in dem Gelände auf die Knie gezwungen; A... habe K... mit einer halbautomatischen Selbstladepistole der Marke ..., viermal in den Kopf geschossen und ihn somit getötet.

Nach dem Urteil des türkischen Schwurgerichts stehe fest, dass der Verfolgte auch an dieser Tat "höchstpersönlich" teilgenommen habe. Gegen den Verfolgten wurde auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.

Gegen den Verfolgten wurde in der Türkei ca. 10 Jahre Untersuchungshaft vollstreckt; er wurde im Januar 2011 wegen überlanger Untersuchungshaft aus der türkischen Haft entlassen.

2. Der Verfolgte betreibt seit September 2011 in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde zwischenzeitlich als offensichtlich unbegründet vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Der Verfolgte hat gegen die ablehnende Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam erhoben, zu der noch keine abschließende Entscheidung vorliegt. Er ist im Übergangswohnheim im ... registriert und bezieht dort Sozialleistungen.

3. Der Verfolgte B... wurde im Zuge der Inpol-Ausschreibung am 14. April 2016 gegen 13:10 Uhr in Leipzig festgestellt und vorläufig festgenommen. Am selben Tag hat das Amtsgericht Leipzig eine Festhalteanordnung erlassen (281 ER 10 Gs 1404/16). Der Verfolgte hat sich im Rahmen seiner Anhörung vor dem Amtsgericht Leipzig am 14. April 2016 mit seiner Auslieferung in die Türkei im vereinfachten Auslieferungsverfahren nicht einverstanden erklärt und auch auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet.

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. April 2016 gegen den Verfolgten vorläufige Auslieferungshaft und mit weiterem Beschluss vom 23. Mai 2016 Auslieferungshaft angeordnet, in deren Folge der Verfolgte in die Ju...

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