Verfahrensgang
AG Neuruppin (Entscheidung vom 31.01.2023; Aktenzeichen 82.1 OWi 3429 Js-OWi 28512/21 (307/21) |
AG Neuruppin (Entscheidung vom 10.11.2022; Aktenzeichen 82.1 OWi 3429 Js-OWi 28512/21 (307/21) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 31. Januar 2023 wird aufgehoben.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 10. November 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Neuruppin hat die Betroffene mit Urteil vom 10. November 2022 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschafteen um 44 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt.
Das - nicht mit Gründen versehene - Protokollurteil vom 10. November 2022 hat die Abteilungsrichterin des Amtsgerichts Neuruppin mit Verfügung vom selben Tag der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, "gemäß § 41 StPO übersandt", woraufhin die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 17. November 2022 auf Rechtsmittel verzichtete.
Nach Eingang der Rechtsbeschwerde der Betroffenen am 14. November 2022 gelangten die schriftlichen Urteilsgründe am 25. November 2022 zur Akte. Diese wurden der Betroffenen aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 24. November 2022 am 26. November 2022 und dem Verteidiger am 07. Dezember 2022 zugestellt.
Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 09. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete dieser die Rechtsbeschwerde mit der Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtbeachtung des Vorbringens aus einem Antrag auf Vernehmung des Messbeamten und mit der Sachrüge.
Das Amtsgericht Neuruppin hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Januar 2023 die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde erst am 09. Januar 2023 und somit verspätet eingegangen sei. Maßgeblich für die Berechnung der Monatsfrist nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 StPO sei allein das Datum der Zustellung des Urteils an die Betroffene am 26. November 2022, nicht das Datum der am 07. Dezember 2022 erfolgten Zustellung an den Verteidiger, der keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe.
Dieser Beschluss ist der Betroffenen am 04. Februar 2023 und dem Verteidiger am 03. Februar 2023 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 07. Februar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag beantragt die Betroffene die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Verfügung vom 01. März 2023 beantragt, wie entschieden.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) angebracht, und begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 31. Januar 2023 unterliegt der Aufhebung.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden.
Der Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung am 09. Januar 2023 wahrt die Monatsfrist ab Zustellung des Urteils (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 Satz 3 StPO).
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat wie folgt ausgeführt:
"Die hier gerichtlich verfügte und bewirkte doppelte Zustellung an die Betroffene und ihren Verteidiger ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 145a Abs. 3 StPO). Eine dennoch angeordnete und erfolgte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte ist jedoch zulässig. Die Berechnung der Frist richtet sich dann nach der zuletzt bewirkten - wirksamen - Zustellung (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 37 Abs. 2 StPO).
Die Zustellung der Urteilsgründe an den Verteidiger der Betroffenen war wirksam.
Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Zwar befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Das Vorbringen des Verteidigers, der im Hauptverhandlungstermin anwesende unterbevollmächtigte Verteidiger habe die schriftliche Vollmacht vorgelegt (S. 5 der Antragsschrift vom 07.02.2023, BI. 85 d. A.), findet in den Akten keine Stütze. Im Protokoll ist derartiges nicht vermerkt und die Richterin hat dies ausdrücklich in Abrede gestellt (BI. 85, 100R d. A.).
Jedoch ist seine Bevollmächtigung hier nachgewiesen.
Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.
Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und ni...