Verfahrensgang
AG Zehdenick (Entscheidung vom 01.12.2021; Aktenzeichen 41 OWi 99/21) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Zehdenick vom 01. Dezember 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Zehdenick zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Landkreis ("Ort 1") verhängte mit Bescheid vom 28. Januar 2021 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h ein Bußgeld in Höhe von 185,00 € und - unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG - ein einmonatiges Fahrverbot.
Auf den Einspruch des Betroffenen hin verhandelte das Amtsgericht Zehdenick am 01. Dezember 2021 und erkannte mit Urteil vom selben Tag auf die identischen Rechtsfolgen wie die Bußgeldstelle.
Am 02. Dezember 2021 ging die Rechtsbeschwerde des Betroffenen bei dem Amtsgericht ein. Unter dem 28. April 2022 vermerkte die Bußgeldrichterin, die Urteilsgründe hätten aufgrund einer Vielzahl von ermittlungsrichterlichen Tätigkeiten (Haftsachen), für die sie ebenfalls zuständig sei, nicht fristgerecht abgesetzt werden können, und verfügte die Zustellung des Protokollurteils ohne Gründe an den Verteidiger des Betroffenen und an die Staatsanwaltschaft.
Das schriftliche Urteil ohne Gründe erreichte den Verteidiger am 21. Juni 2022. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2022, der am selben Tag bei dem Amtsgericht einging, begründete dieser die Rechtsbeschwerde für den Betroffenen. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 06. Oktober 2022, das angefochtene Urteil auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Zehdenick zurückzuverweisen.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 OWiG statthaft und entsprechend §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht und begründet worden, sonach zulässig.
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 06. Oktober 2022 Folgendes ausgeführt:
"Die Zustellung der Urteilsformel an den Verteidiger war wirksam.
Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 S. 1 OWiG).
Zwar befindet sich keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Jedoch ist seine Bevollmächtigung nachgewiesen. Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.
Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 S. 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und nicht nur - wie zuvor - die Original-Vollmacht gelten zu lassen (BT Drs. 19/27654, S. 40). Dabei ist davon auszugehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Kopie bzw. das elektronische Dokument wie vormals die schriftliche Vollmacht tatsächlich zu den Akten gelangt.
Dies ist hier nicht geschehen. Der Verteidiger hat keine Vollmacht zu den Akten gereicht, sondern ausweislich des Protokolls im Hauptverhandlungstermin eine elektronische Vollmacht vorgelegt (Bl. 23 d. A.), in die das Gericht Einsicht genommen hat und die offenbar zurückgereicht worden ist.
Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, allerdings muss der Nachweis an formale Kriterien geknüpft sein, da sich daraus die entsprechenden Rechtsfolgen für den Betroffenen ergeben, über die aus Rechtssicherheitsgründen Klarheit bestehen muss (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.09.2009 - 2 Ss (OWi) 129B/09, BeckRS 2009, 26373).
Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist jedoch nicht die einzig zulässige. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist. Denn anders als bei der Wirksamkeit der Vertretung durch den Verteidiger im Verfahren allgemein (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rdnr. 9), genügt eine ausschließlich mündlich erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht. Schon nach bisheriger Rechtslage reichte es jedoch aus, wenn die Vollmacht durch den Betroffenen in der Hauptverhandlung mündlich erteilt wurde und dies im Sitzungsprotokoll beurkundet worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 145a Rdnr. 9) oder wenn der Betroffene seinen Verteidiger vor der Verwaltungsbehörde bevollmächtigt hat und dies in den Akten vermerkt worden ist (Göhler, OWiG, § 51 Rdnr. 44a)....