Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe - Kindschaftssache: Erfolgsaussicht im Umgangsverfahren; Mutwilligkeitsprüfung bei vorausgegangener Straftat des Antragstellers; unterbliebener Versuch einer Verfahrensvermeidung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 ZPO) in amtswegigen Umgangsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Beteiligten genügt, eine von ihm erwünschte Regelung herbeizuführen, sondern ob der Verfahrensgegenstand Anlass zur Überprüfung des Umgangsregelungsbedürfnisses gibt und zu erwarten ist, dass der Beteiligte Tatsachen darlegen kann, um seine Lage zu verbessern und seine Rechte zu verwirklichen. Mithin liegen hinreichende Erfolgsaussichten bereits dann vor, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen (vgl. Senat FamRZ 2019, 1632 m.w.N.).
2. Dass ein Antragsteller durch die von ihm begangene Straftat weitere Maßnahmen ausgelöst hat, die letztlich auch das nunmehr angestrebte gerichtliche Verfahren bedingen, begründet noch keine Mutwilligkeit (§ 114 Abs. 2 ZPO) seiner Rechtsverfolgung. Vielmehr ist allein entscheidend, ob sich der Antragsteller in einer Lage befindet, bei der zur Durchsetzung seiner Rechte das Beschreiten des Rechtswegs unverzichtbar erscheint und eine bemittelte Person in derselben Lage sich exakt in derselben Weise verhalten würde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2016 - XII ZB 238/15 -, Rn. 27, juris).
3. Die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung kann nicht mehr auf einen unterbliebenen Versuch der Verfahrensvermeidung gestützt werden, wenn die Antragsgegnerin dem Begehren des Antragstellers prozessual entgegengetreten ist (vgl. Senat FamRZ 2019, 1632).
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 14/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.03.2020 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden soll.
Gründe
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren betreffend seine Tochter.
Er wurde 2004 wegen schweren sexuellen Missbrauchs an seiner Stieftochter zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Das Opfer beging später Suizid.
Die Mutter tritt einem Umgang ihrer Tochter mit dem Antragsteller unter Hinweis auf dessen Straftat, ihre Folgen und dessen intransparenten Umgangs damit weitgehend und vehement entgegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Bewilligung abgelehnt. Es fehle die Erfolgsaussicht, weil der Umgang in einem einstweiligen Anordnungsverfahren geregelt sei und der Antragsteller insoweit vereinbarte Auflagen nicht erfülle.
2. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Die Erfolgsaussicht des Umgangsverfahrens (114 Abs. 1 ZPO) lässt sich nicht verneinen, Mutwillen (§ 114 Abs. 2 ZPO) nicht feststellen.
Für die Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 ZPO) in amtswegigen Umgangsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Beteiligten genügt, eine von ihm erwünschte Regelung herbeizuführen, sondern ob der Verfahrensgegenstand Anlass zur Überprüfung des Umgangsregelungsbedürfnisses gibt und zu erwarten ist, dass der Beteiligte Tatsachen darlegen kann, um seine Lage zu verbessern und seine Rechte zu verwirklichen. Mithin liegen hinreichende Erfolgsaussichten bereits dann vor, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen (vgl. Senat FamRZ 2019, 1632 m.w.N.).
So liegt es hier. Anlass zur Überprüfung eines Umgangsregelungsbedürfnisses besteht, da zur Zeit kein Umgang stattfindet und ein gerichtlich konstituierter Titel über Umgang oder Umgangsausschluss fehlt. Der Terminsvermerk vom 23.10.2019 im - ohnehin beendeten - Verfahren der einstweiligen Anordnung enthält lediglich Eckpunkte für eine künftige Umgangsregelung unter Auflagenerteilung an den Antragsteller (vgl. 37 BA). Damit scheidet ein Umgangsausschluss als einzig denkbares Verfahrensergebnis der Hauptsache aus.
Ein Aufklärungsbedarf besteht, auch soweit der Antragsteller die Auflagen im Hauptsacheverfahren nunmehr beanstandet. Dass die Auflagenerteilung an den Antragsteller rechtmäßig wäre, könnte als schwierige Rechtsfrage im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren schon nicht zulasten des Antragstellers beantwortet werden. Zudem währen gleichlautenden Auflagen bei einer Weigerung des Antragstellers oder anderweitigen tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts ohnedies nicht geeignet, die Ermittlungspflicht des Amtsgerichts nach § 26 FamFG hinfällig werden zu lassen. An einem gerichtlichen Aufklärungsbedarf kann im Übrigen bereits in Ansehung d...