Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe - Erfolgsaussicht und (fehlender) Mutwillen bei Umgangsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erfolgsaussicht in amtswegigen Umgangsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Beteiligten genügt, die von ihm erwünschte Regelung herbeizuführen, sondern ob der Verfahrensgegenstand Anlass zur Überprüfung des Umgangsregelungsbedürfnisses gibt und zu erwarten ist, dass der Beteiligte Tatsachen darlegen kann, um seine Lage zu verbessern und seine Rechte zu verwirklichen. Mithin liegen hinreichende Erfolgsaussichten bereits dann vor, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen (vgl. Senat FamRZ 2017, 310; Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 76 FamFG, Rn. 22; Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 492 m.w.N.; BeckOK FamFG/Weber, 29. Ed. 1.1.2019, FamFG § 76 Rn. 3a m.w.N.).
2. Die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch und kann nicht mehr auf einen unterbliebenen Versuch der Prozessvermeidung gestützt werden, wenn der Antragsgegner dem Begehren prozessual entgegen tritt (vgl. Senat FamRZ 2018, 1339).
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 197/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 17.12.2018 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden soll.
Gründe
1. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren betreffend drei bei ihr lebenden Töchter.
Sie begehrt die Änderung einer mündlichen geregelten Umgangspraxis, die sich als unpraktikabel und für die Kinder belastend erwiesen habe.
Der Antragsgegner hält die Bewertung der Umgangspraxis als unpraktikabel und belastend für nicht nachvollziehbar (72) und besteht auf der Einhaltung der mündlichen Vereinbarung.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Bewilligung abgelehnt. Es fehle die Erfolgsaussicht, weil die Erforderlichkeit eines Umgangsverfahrens nicht dargetan und es zudem über Krisenberatungen hinaus zu keiner Beratung im Jugendamt über die Umgangsfrage gekommen sei.
2. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Die Erfolgsaussicht des Umgangsverfahrens (114 Abs. 1 ZPO) lässt sich nicht verneinen, Mutwillen (114 Abs. 2 ZPO) nicht feststellen.
Für die Erfolgsaussicht in amtswegigen Umgangsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Beteiligten genügt, die von ihm erwünschte Regelung herbeizuführen, sondern ob der Verfahrensgegenstand Anlass zur Überprüfung des Umgangsregelungsbedürfnisses gibt und zu erwarten ist, dass der Beteiligte Tatsachen darlegen kann, um seine Lage zu verbessern und seine Rechte zu verwirklichen. Mithin liegen hinreichende Erfolgsaussichten bereits dann vor, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen (vgl. Senat FamRZ 2017, 310; Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 76 FamFG, Rn. 22; Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 492 m.w.N.; BeckOK FamFG/Weber, 29. Ed. 1.1.2019, FamFG § 76 Rn. 3a m.w.N.).
An einem gerichtlichen Aufklärungsbedarf kann schon in Ansehung einer kinderärztlich diagnostizierten psychischen Beeinträchtigung der zweitjüngsten Tochter (vgl. 34) und der bei ihr schulisch dokumentierten Umgangsauswirkungen (vgl. 35) kein Zweifel bestehen.
Die Prozessführung ist auch nicht mutwillig, etwa weil die Antragstellerin auf eine vor- oder außerprozessuale Einigung unter Mitwirkung des Jugendamtes zu verweisen wäre. Nach dem Bericht des Jugendamtes vom 20.08.2018 gelang es nicht, vermittelnde Gespräche auf Sachebene zu führen, da die Eltern hochstrittig und verletzt seien (vgl. 70). Im Übrigen beurteilt sich die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung ohnedies nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch; damit kann auf einen unterbliebenen Versuch der Prozessvermeidung die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nicht mehr gestützt werden, wenn der Antragsgegner dem Begehren der Antragstellerin prozessual entgegen tritt, wie hier (vgl. Senat FamRZ 2018, 1339).
Der Senat hat die Sache zurückverwiesen, damit das Amtsgericht die dort bislang unterlassene Prüfung der Hilfsbedürftigkeit nachholen kann, § 572 Abs. 3 ZPO.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 13041072 |
FamRZ 2019, 1632 |
NZFam 2019, 595 |