Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage bei Geltendmachung der Verwirkung titulierter Unterhaltsansprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abänderung der nach §§ 769, 795 ZPO getroffenen Entscheidungen kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen.
2. § 767 ZPO und nicht die Abänderungsklage des § 323 ZPO ist statthaft, wenn die fehlende Vollstreckbarkeit des gesamten Titels der Verwirkung sämtlicher Unterhaltsansprüche geltend gemacht wird.
3. Zur Verwirkung der Unterhaltsansprüche für das letzte Jahr vor erneuter Geltendmachung.
Normenkette
ZPO §§ 767, 769, 795, 323
Verfahrensgang
AG Cottbus (Beschluss vom 04.06.2007; Aktenzeichen 53 F 2/06) |
Tenor
1. Dem Kläger wird zur Abwehr der Berufung der Beklagten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Bartholdtsen in Cottbus bewilligt. Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden ihm monatliche Raten i.H.v. 60 EUR auferlegt.
2. Der Beschluss des AG Cottbus vom 4.6.2007 wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Kreisgerichts Cottbus vom 16.7.1992 (Aktz. 52 F [UE-EAO] 103/1992) wird einstweilig eingestellt, soweit eine Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen für die Zeit vor Juni 2005 erfolgt.
Gründe
A. Prozesskostenhilfe des Klägers
Das monatliche Nettoeinkommen des Klägers beträgt ... (Wird ausgeführt.)
Dieses einzusetzende Einkommen ist gem. § 115 Abs. 2 ZPO auf 157 EUR abzurunden, woraus eine monatliche Rate von 60 EUR folgt.
B. Änderung des Einstellungsbeschlusses
Der Einstellungsbeschluss des AG Cottbus vom 4.6.2007 (Bl. 135) war auf Antrag der Beklagten (Bl. 159, 182) teilweise abzuändern, soweit die Berufung Erfolg verspricht; auf die nachfolgenden Ausführungen (unter C.) wird Bezug genommen. Eine Abänderung der nach §§ 769, 795 ZPO getroffenen Entscheidungen ist jederzeit möglich, auch durch das Rechtsmittelgericht (vgl. auch Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 769 Rz. 6).
Vorsorglich sei noch darauf hingewiesen, dass die durch das AG im Beschluss vom 4.6.2007 gleichfalls angeordnete Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Cottbus ... ohne Bezug zur Rechtslage steht und damit ersatzlos entfällt. Die Zwangsvollstreckung wird aus einem Titel betrieben, nur insoweit ist die Einstellung der Zwangsvollstreckung möglich. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (§§ 829, 836 ZPO) selbst ist dagegen eine Maßnahme der Vollstreckung, also eine Vollstreckungshandlung.
C. Sach- und Streitstand
I. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit eines Vergleichs hinsichtlich Kindesunterhalts.
Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet sich gegen das Urteil des FamG Cottbus, in dem die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel für unzulässig erklärt wurde.
Der Kläger und die Mutter der Beklagten haben 1990 geheiratet. Aus dieser Ehe ist das minderjährige Kind I, die Beklagte, hervorgegangen. Die Ehe wurde 1993 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge wurde der Kindesmutter allein übertragen. Im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens (AG Cottbus, Aktz. 52 F 103/92, Bl. 48 BA) haben der Kläger und die Kindesmutter am 16.7.1992 einen Vergleich geschlossen, indem sich der Kläger verpflichtete, "vorläufig einen Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter Isabell, geb. am 4.6.1990 zu Händen der Antragstellerin i.H.v. 200 DM ab 1.4.1992 unter Abzug des bereits gezahlten Unterhalts i.H.v. 500 DM zu zahlen". Weiterhin verständigten sich die Parteien darüber, dass "eine erneute Unterhaltsberechnung erfolgt, bezüglich des Kinderunterhalts und des Ehegattenunterhalts, sobald feststeht, die Höhe des Einkommens des Antragsgegners, die Schadensersatzansprüche und die Versicherungsansprüche".
Der Kläger zahlte Ende 1992 letztmalig Unterhalt. Danach leistete er keinerlei Zahlungen mehr. Die Beklagte verzog mit ihrer Mutter zunächst nach Holland; Kontakte zum Kläger unterblieben über Jahre hinweg. Eine Vollstreckung des Vergleichs erfolgte über mehrere Jahre hinweg nicht. Erst mit Schreiben vom 3.6.2005 forderte die Beklagte den Kläger zur Unterhaltszahlung ab Mai 2005 auf. Am 15.11.2005 stellte sie vor dem AG Cottbus einen Antrag auf Vollstreckung rückständigen Kindesunterhalts von Mai 2004 bis November 2005 aus dem Vergleich (Bl. 40).
Der Kläger hat behauptet, die Vereinbarung einer monatlichen Unterhaltszahlung sei mit dem Vergleich zwischen den Parteien nicht bezweckt worden. Seiner Ansicht nach könne der im einstweiligen Anordnungsverfahren getroffene Vergleich aufgrund des Eintritts der Rechtskraft der Ehescheidung keine Wirkung mehr entfalten. Im Übrigen sei der Unterhalt verwirkt.
Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorgenannten Vergleich für unzulässig zu erklären.
Die Beklagte hat ursprünglich beantragt, die Klage abzuweisen (Bl. 4). Zuletzt hat sie sodann beantragt (Bl. 124), die Zwangsvollstreckung aus dem vorgenannten Vergleich für unzulässig zu erklären, soweit es titulierte Unterhaltsansprüche bis einschl...