Leitsatz

Die Parteien stritten um die Vollstreckbarkeit eines Vergleichs hinsichtlich des Kindesunterhalts aus dem Jahre 1992. Der unterhaltsverpflichtete Kindesvater hatte hierauf letztmalig Ende 1992 Zahlung geleistet. Eine Vollstreckung aus dem Vergleich erfolgte über mehrere Jahre hinweg nicht. Erst mit Schreiben von Anfang Juni 2005 forderte die Kindesmutter den Unterhaltsschuldner auf, Unterhaltszahlungen ab Mai 2005 zu leisten. Am 15.11.2005 stellte sie vor dem AG einen Antrag auf Vollstreckung rückständigen Kindesunterhalts von Mai 2004 bis November 2005 aus dem Vergleich.

Der unterhaltspflichtige Vater erhob Vollstreckungsgegenklage und beantragte, die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Vergleich für unzulässig zu erklären. Er hat sich u.a. darauf berufen, der Unterhalt sei verwirkt.

Das erstinstanzliche Gericht hat seinem Antrag entsprochen.

Die Kindesmutter und geschiedene Ehefrau des Klägers wandte sich gegen das erstinstanzliche Urteil mit ihrer Berufung und beantragte, in Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung insoweit unzulässig sei, als Unterhaltsansprüche bis Mai 2004 tituliert seien. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen.

Das Rechtsmittel hatte nur teilweise Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG sah für das Rechtsmittel der Beklagten nur insoweit Aussicht auf Erfolg, als das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern sei, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich aus dem Jahre 1992 für die Zeit bis einschließlich Mai 2005 für unzulässig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen werde.

Da die Beklagte der Unzulässigkeit für die Zeit bis Mai 2005 nach Änderung ihres ursprünglichen Abweisungsantrages zustimme, liege hierin ein Anerkenntnis. Das erstinstanzliche Gericht hätte daher insoweit ein Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil auch ohne einen Antrag des Klägers erlassen müssen. § 93 ZPO greife im Übrigen nicht zugunsten der Beklagten ein, da es an der Sofortigkeit i.S.d. Norm fehle.

Die Berufung der Beklagten sei insoweit begründet, als sie Unterhaltsansprüche ab dem Zahlungsverlangen vom 3.6.2005 betreffe. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet, da die Unterhaltsansprüche der Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt verwirkt seien.

Die Vollstreckungsgegenklage des Klägers gemäß § 767 ZPO und nicht die Abänderungsklage gemäß § 323 Abs. 4 ZPO sei statthaft. Grundsätzlich kämen beide Klagearten in Betracht. Die Vollstreckungsgegenklage sei dann die richtige Klageart, wenn der Unterhaltsanspruch aufgrund der Einwendung vollständig auszuschließen sei (BGH NJW-RR 1991, 899 = FamRZ, 1991, 1040; a.A. OLG Köln, NJWE-FER 2000, 144 = FamRZ 2000, 1043).

§ 767 ZPO und nicht die Abänderungsklage des § 323 ZPO sei statthaft, wenn die fehlende Vollstreckbarkeit des gesamten Titels geltend gemacht werde. Dies gelte auch bei der Geltendmachung der Verwirkung der Ansprüche. Der Schwerpunkt liege im vorliegenden Fall auf einer Geltendmachung der vollständigen Unwirksamkeit des Titels und nicht auf einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Vergleich behalte auch nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ehescheidungsverfahrens durch Scheidung seine Wirksamkeit, wie es im Übrigen auch bei einer auf § 620 Nr. 6 ZPO beruhenden einstweiligen Anordnungsentscheidung des Gerichts der Fall wäre.

Zwischen den Parteien bestehe Einigkeit darüber, dass Unterhaltsansprüche bis ein Jahr vor der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung verwirkt seien, somit bis Mai 2004. Darüber hinaus sei auch der Unterhaltsanspruch bis zum Monat der erneuten Geltendmachung, die hier am 3.6.2005 erfolgt sei, d.h. bis einschließlich Mai 2005 verwirkt.

Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen, die bis zum Zeitpunkt der erneuten Geltendmachung entstanden seien, komme ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Unterhaltsschuldner nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit seiner Inanspruchnahme nicht mehr habe rechnen müssen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass rückständige Unterhaltsansprüche nicht mehr vollstreckt würden. Er habe seit dem Jahre 1993 keinen Unterhalt mehr gezahlt. Bis zur erneuten Geltendmachung im Juni 2005 seien keinerlei Vollstreckungsversuche unternommen worden. Zwischen den Parteien habe keinerlei Kontakt mehr bestanden. Der Kläger habe daher annehmen dürfen, dass das Kind an einem Kontakt zu ihm kein Interesse habe und auch auf Unterhalt durch ihn nicht angewiesen sei.

Für eine Verwirkung der Unterhaltsansprüche ab Juni 2005 bestehe hingegen kein Anlass. Mit der Geltendmachung von Unterhalt mit Schreiben vom 3.6.2005 habe sich die Beklagte auf ihre Unterhaltsansprüche berufen. Dass sodann bis zur Einleitung der Vollstreckung nochmals mehrere Monate verstrichen seien, schaffe keinen neuerlichen Vertrauenstatbestand beim Kläger. Im Übrigen habe er auch nicht darauf vertrauen können, dass der neue Lebenspartner der Mutter für das Kind sorgen werde. Wegen der Minderjährigkeit des Kindes habe er auch nicht annehmen d...

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