Leitsatz (amtlich)

1. Geht der Unterhaltsverpflichtete einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach, kann ihm ein fiktives Nebeneinkommen aus Nebenbeschäftigung nicht zugerechnet werden.

2. Lebt der Unterhaltsschuldner mit einem Ehegatten oder einem Lebensgefährten zusammen und hat auf Grund dessen eine Haushaltsersparnis, so ist diese bei ihm regelmäßig mit 12,5 % zu berücksichtigen.

3. Auch wenn dynamisierter Unterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB geltend gemacht wird, ist der zu leistende Unterhalt so weit wie möglich zu beziffern, also für den zurückliegenden und laufenden Unterhalt bis zum Inkrafttreten der folgenden Regelbetrag-Anpassungsverordnung; erst von diesem Zeitpunkt an ist der Unterhalt in einem bestimmten Vomhundertsatz eines oder des jeweiligen Regelbetrages auszudrücken.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 05.08.2005; Aktenzeichen 2 F 304/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Den Klägern kann weitergehende Prozesskostenhilfe nicht gänzlich aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO n.F. an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang die Kläger nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine Erklärung der gesetzlichen Vertreterin der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Diese ist zwar nicht ohne Bedeutung, da zum nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzenden Vermögen minderjähriger Kinder, die auf Unterhalt klagen, auch ein etwaiger Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den betreuenden Elternteil zählt (BGH v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633). Zunächst kommt es aber auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vertretenen, also des Kindes selbst, an (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 220). Auch wenn minderjährige Kinder regelmäßig nicht über Einkommen verfügen, kann bei ihnen Vermögen, etwa in Form von Sparguthaben, vorhanden sein. Das AG wird daher die Kläger auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einzureichen. Auf dieser Grundlage wird das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag der Kläger entscheiden.

Der Rechtsverfolgung der Kläger, gerichtet auf Unterhalt i.H.v. jeweils 100 % des Regelbetrages, während das AG Prozesskostenhilfe nur für die Geltendmachung von Unterhalt i.H.v. jeweils 52 % des Regelbetrages bewilligt hat, kann die weitergehende hinreichende Erfolgsaussicht, § 114 ZPO, nicht gänzlich abgesprochen werden.

Allerdings sind die Feststellungen des AG zum bereinigten Einkommen des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Dies gilt insb. auch, soweit es die vom Beklagten bezogenen steuerfreien Spesen und Verpflegungszuschüsse mit einem Drittel als Einkommen berücksichtigt hat (vgl. Nr. 1.4 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, Stand 1.7.2005). Angesichts der vom Beklagten geltend gemachten berufsbedingten Aufwendungen benachteiligt der vom AG vorgenommene Abzug von 5 % pauschal die Kläger nicht. Allerdings ist im Mangelfall, wie vorliegend, grundsätzlich anstelle eines Pauschalabzugs der Nachweis von konkreten Aufwendungen erforderlich (Nr. 10.2.1 der Leitlinien). Doch unabhängig davon, ob der Beklagte, wie von ihm geltend gemacht, die Kosten für die Fahrten zur Arbeit mit dem privaten Pkw geltend machen kann, übersteigen schon die Kosten für die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, die nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten 83 EUR ausmachen, die Pauschale von 5 %, die sich lediglich auf rund 54 EUR beläuft. Darauf, seinen Wohnsitz unmittelbar in der Nähe des Arbeitgebers zu begründen, kann der Beklagte schon deshalb nicht verwiesen werden, weil sein Arbeitsverhältnis unstreitig bis zum 31.12.2005 befristet ist. Nach alldem beträgt das tatsächliche bereinigte Einkommen des Beklagten entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Beschluss rund 1.082 EUR.

Weiterhin hat das AG zutreffend für die Unterhaltsbemessung die tatsächlichen Einkünfte des Beklagten herangezogen. Dies gilt auch mit Rücksicht auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB. Diese hat zwar zur Folge, dass der Unterhaltsschuldner seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen muss (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 614). Entscheidend ist, welches Einkommen der Unt...

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