Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig oder rechtsmissbräuchlich, wenn seine Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung der Ablehnung völlig ungeeignet ist.

2. Weisen Vorwürfe einen das Verfahren oder Verhalten der abgelehnten Richterin betreffenden sachlichen Kern auf, der ein inhaltliches Eingehen auf den Verfahrensgegenstand oder das Verhalten der Richterin nicht völlig entbehrlich macht, ist seine Begründung nicht zur Rechtfertigung der Ablehnung völlig ungeeignet und damit nicht als unzulässig zu verwerfen.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 142/14)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 17.7.2017 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin vom 14.7.2017 an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen, das auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde zu entscheiden hat.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich in einem Kindschaftsverfahren (§ 1666 BGB) gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuchs gegen die Familienrichterin.

Die Antragstellerin hat die zuständige Richterin nach einer vorausgegangenen, auch im Beschwerdeverfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht erfolglos gebliebenen Befangenheitsablehnung (Beschlüsse vom 2.3.2017 und 5.4.2017 in der Sache 13 WF 37/17) erneut abgelehnt.

Gegen den dieses zweite Ablehnungsgesuch verwerfenden Beschluss der abgelehnten Richterin richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Die Richterin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die nach §§ 6 II FamFG, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, der einer endgültigen Entscheidung des Beschwerdegerichts entgegensteht. Die abgelehnte Richterin hat das Ablehnungsgesuch zu Unrecht selbst als unzulässig verworfen, §§ 6 I FamFG, 45 II ZPO.

In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass in klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlichen Ablehnungsgesuchs der abgelehnte Richter nicht an einer weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.2.2017 - I ZB 104/16). Denn bei eindeutig unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen setzt die Prüfung des Ablehnungsgesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraus und stellt mithin auch keine echte Entscheidung in eigener Sache dar (BGH Beschl. v. 25.4.2017 - VIII ZA 1/17, BeckRS 2017, 109874).

Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig oder rechtsmissbräuchlich, wenn seine Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung einer Ablehnung völlig ungeeignet ist. Dann ist es einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe von Gründen gleichzustellen (vgl. BGH Beschl. v. 25.4.2017 - VIII ZA 1/17, BeckRS 2017, 109874). Eine solche völlige Ungeeignetheit ist aber nur dann anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das Verhalten des abgelehnten Richters entbehrlich ist (BVerfG NJW 2007, 3771, NJW-RR 2008, 72, BGH, Beschluss vom 25.4.2017, a. a. O.). Im Rahmen der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht allerdings in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und ggf. wohlwollend auszulegen, da es anderenfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein könne, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG a.a.O.).

Ist ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens erforderlich, scheidet eine solche Verwerfung als unzulässig aus; durch die Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe darf sich der abgelehnte Richter nicht zum Richter in eigener Sache machen (BVerfG a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe durfte das Ablehnungsgesuch vom 14.7.2017 nicht durch die abgelehnte Richterin selbst verworfen werden.

Die abgelehnte Richterin hat in dem das Ablehnungsgesuch verwerfenden Beschluss ihrer Auffassung Ausdruck verliehen, die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin nicht für vorgreiflich zu halten und dass das Ablehnungsgesuch nur der Verfahrensverzögerung dienen solle.

Damit ist sie zum einen auf den Verfahrensgegenstand eingegangen. Zum anderen schöpft dies aber das Vorbringen des Ablehnungsgesuchs auch nicht vollständig aus. Die Antragstellerin stützt ihre Befangenheitssorgen weiter darauf, dass die Richterin das Verfahren nicht eingestellt habe, obwohl Kindeswohlgefährdungen nicht bestünden, dass sie das Verfahren "eigenmächtig" zu einem kinderschutzrechtlichen Verfahren "umqualifiziert" habe und damit eine "unqualifizierte, tendenziöse Haltung" gegenüber der Antragstellerin an den Tag lege (Bl. 850). Diese Vorwürfe weisen einen sachlichen Kern auf, der ein inhaltliches Eingehen auf den Verfahrensgegenstand oder das Verhalten der Richterin n...

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