Leitsatz (amtlich)
Die Systematik der §§ 116 III 3, 120 II FamFG verbietet es, den unwiederbringlichen Verlust einer Unterhaltszahlung, die innerhalb des Zeitraums geleistet wird, für den sie geschuldet wird, als einen nicht zu ersetzenden Nachteil zu beurteilen. Für die Einstellung der Vollstreckung von Unterhaltsrückständen reicht die - unwidersprochene - Darlegung des endgültigen Verlustes an den nach Verbrauch zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen.
Normenkette
FamFG § 116 Abs. 3, § 120 Abs. 1-2; ZPO §§ 707, 719
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 18.10.2013; Aktenzeichen 23 F 23/13) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG Nauen vom 18.10.2013 wird eingestellt, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, an die Antragstellerin zu Händen von deren Mutter monatlich im Voraus Unterhalt i.H.v. mehr als 120 Prozent des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe (§ 1612a BGB) abzgl. der Hälfte des staatlichen Kindergeldes zu zahlen (Nr. 1 der Entscheidungsformel), und sich ein Vollstreckungsantrag auf Forderungen bezieht, die früher als am letzten Fälligkeitstermin vor der Antragstellung fällig geworden sind, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, rückständigen Unterhalt i.H.v. 704 EUR nebst Zinsen an die Antragstellerin zu zahlen (Nr. 2 der Entscheidungsformel).
Im Übrigen wird der Antrag des Antragsgegners, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG Nauen vom 18.10.2013 einzustellen, abgelehnt.
Gründe
I.1. Der Antragsgegner verpflichtete sich mit einer Jugendamtsurkunde, an die Antragstellerin, seine minderjährige, einkommens- und vermögenslose Tochter, ab dem 1.12.2012 Unterhalt i.H.v. 120 Prozent des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des anzurechnenden Kindergeldanteils zu zahlen.
2. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf Erhöhung des Unterhalts in Anspruch genommen. Das AG hat den Antragsgegner mit dem Beschluss vom 18.10.2013 verpflichtet, in Abänderung der Jugendamtsurkunde ab dem 1.8.2013 Unterhalt i.H.v. 144 Prozent des Mindestunterhalts abzgl. des auf das Kind entfallenden Kindergeldes zu zahlen. Es hat den Antragsgegner außerdem verpflichtet, rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1.12.2012 bis 31.7.2013 i.H.v. 704 EUR nebst Zinsen zu zahlen, und es hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.
Der Antragsgegner hat Beschwerde erhoben und beantragt, den Beschluss des AG aufzuheben und die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
3. Er hat außerdem beantragt, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss einstweilen einzustellen. Er zahle den Unterhaltsbetrag, der sich aus der Jugendamtsurkunde ergebe, regelmäßig, sei aber zu höheren Zahlungen nicht imstande. Die Antragstellerin habe wegen der Rückstände die Zwangsvollstreckung angekündigt. Die Vollstreckung würde dazu führen, dass die Antragstellerin, die vermutlich den Entreicherungseinwand erheben werde, den Unterhaltsbetrag auch dann behalten dürfte, wenn der angefochtene Beschluss abgeändert würde.
Die Antragstellerin hält den Einstellungsantrag für unzulässig. Ein Antrag könne beim Beschwerdegericht nicht gestellt werden. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil die sofortige Wirksamkeit inhaltsleer bliebe, wenn ihr der Verbrauch der Unterhaltszahlung durch den bedürftigen Unterhaltsgläubiger entgegengehalten werden könnte.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und die Anlagen verwiesen.
II. Der Antrag, die Vollstreckung einzustellen, ist zulässig.
1. Dem steht der Verweis der Antragstellerin auf den Beschluss des BGH v. 26.6.2013 - XII ZB 19/13 - (NJW-RR 2013, 1093) nicht entgegen. Jene Entscheidung behandelt die Begründetheit eines Einstellungsantrages in der Rechtsbeschwerdeinstanz (§§ 120 I FamFG, 719 II ZPO) und verneint sie im entschiedenen Falle. Ein Antrag auf Einstellung der Vollstreckung in der Beschwerdeinstanz wird vom BGH (a.a.O.) hingegen ausdrücklich für möglich gehalten - wenn auch nach § 120 II 2 FamFG, während allgemein die Auffassung vorherrscht, das Beschwerdegericht habe nach § 120 II 3 FamFG zu entscheiden (vgl. nur MünchKomm/FamFG-C. Fischer, 2. Aufl. 2013, § 120 Rz. 13 m. weit. Nachw.).
2. Der Senat sieht über das wohl fehlende Rechtsschutzbedürfnis an einer Einstellung der Vollstreckung aus der Verpflichtung zur Zahlung des Unterhaltsrückstandes hinweg (Nr. 2 der Entscheidungsformel). Dieser Ausspruch im angefochtenen Beschluss ist nicht vollstreckbar, weil die Angabe des Vollstreckungsgläubigers fehlt. Das AG hat nicht angegeben, an wen der Antragsgegner zahlen soll. Da dieser Mangel eventuell nach den §§ 113 I FamFG, 319 ZPO durch die Benennung der Antragstellerin behoben werden könnte, befasst sich der Senat schon jetzt auch mit diesem Teil des angefochtenen Beschlusses, um nicht nach einer etwaigen Berichtigung erneut entscheiden zu müssen.
III. Der Antrag ist nur teilweise begründet. Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen, soweit sie ...