Leitsatz (amtlich)

Die Trennung der sorgeberechtigten Eltern begründet für gemeinsame Kinder einen Doppelwohnsitz. Auf den tatsächlichen Aufenthaltsort des betroffenen Kindes kommt es nicht an, selbst wenn dieser einverständlich oder (bei Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil) einseitig bestimmt worden ist.

 

Normenkette

FGG § 36 Abs. 1 S. 1; BGB § 11 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Aktenzeichen 41 F 775/02)

AG Senftenberg (Aktenzeichen 31 F 199/02)

 

Tenor

Zum zuständigen Gericht wird das AG Senftenberg bestimmt.

 

Gründe

Zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit ist das Bandenburgische OLG gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO berufen. Es handelt sich um eine isolierte Familiensache (Sorgerechtsverfahren) gem. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der für Kompetenzkonflikte an sich einschlägige § 5 FGG ist damit nicht anwendbar, vielmehr gelten insoweit die zivilprozessualen Verfahrensvorschriften (vgl. § 621a Abs. 1 S. 2 ZPO) und damit die Zuständigkeitsbestimmungsregelung des § 36 ZPO.

Intern ist der Familiensenat des OLG für den bestehenden Kompetenzkonflikt zweier FamG zuständig. Zu den von den FamG entschiedenen Sachen i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG zählen auch solche die Hauptsacheentscheidung vorbereitenden Nebenentscheidungen der AG. Eine solche Nebenentscheidung stellt auch der Streit zweier FamG um die örtliche Zuständigkeit i.V.m. den nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erforderlichen Erklärungen über die eigene Unzuständigkeit dar (vgl auch OLG Düsseldorf FamRZ 1977, 725; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2003, § 119 GVG Rz. 8).

Als örtlich zuständiges Gericht ist gem. § 36 Abs. 1 S. 1 FGG i.V.m. § 11 BGB das AG Senftenberg zu bestimmen. Zwar betrifft § 36 FGG an sich das Vormundschaftsgericht, wohingegen es sich hier um eine familienrechtliche Streitigkeit handelt, für die das FamG zuständig ist (§ 23b Abs. 1 S. 1 und S. 2 Ziff. 2 GVG). Jedoch sieht § 621a Abs. 1 S. 1 ZPO die Anwendung des FGG und damit auch der entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften des FGG voraus, da es an einer anderweitigen Bestimmung im Sinne dieser Norm fehlt. Nach § 64 Abs. 3 S. 2 FGG tritt dann an die Stelle des VormG das FamG. Insofern gilt auch für das FamG die Zuständigkeitsvorschrift des § 43 Abs. 1 FGG und damit wiederum diejenige des § 36 Abs. 1 FGG.

Nach § 36 Abs. 1 S. 1 FGG ist der Wohnsitz des betroffenen Kindes für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebend.

Ein minderjähriges Kind teilt gem. § 11 S. 1 BGB den Wohnsitz der Eltern, soweit diese sorgeberechtigt sind. Da jeder Elternteil, dem das Recht für die Person des Kindes zu sorgen zusteht, dem Kind seinen Wohnsitz vermittelt, hat dieses, wenn die Eltern verschiedene Wohnsitze haben, einen doppelten Wohnsitz. Dies ist hier der Fall, da beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind (vgl. die sorgerechtliche Erklärung nach § 1626a Nr. 1 BGB vom 24.8.1999, Bl. 4 d.A.) und zugleich verschiedene Wohnorte haben. Die Trennung der sorgeberechtigten Eltern begründet damit für gemeinsame Kinder einen Doppelwohnsitz (BGH, NJWE-FER 1997, 136; OLG Stuttgart FamRZ 2003, 395; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003 § 11 Rz. 4; Keidel/Kuntze/Winkler-Engelhardt, FGG, 15. Aufl. 2003, § 36 Rz. 12). Das Gesetz selbst sieht die Möglichkeit eines doppelten Wohnsitzes in § 7 Abs. 2 BGB auch vor.

Der doppelte Wohnsitz hat zur Folge, dass der die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf sich begehrende Antragsteller zwischen den Gerichten, die für die beiden Wohnsitze örtlich zuständig sind, wählen kann (BGH NJW-FER 1997, 136; Keidel/Kuntze/Winkler-Engelhardt, FGG, 15. Aufl. 2003, § 36 Rz. 12). Da der Antragsteller sein Wahlrecht zu Gunsten des AG Senftenberg als dem für seinen und daher auch für den abgeleiteten Wohnort des Kindes örtlich zuständigen AG ausgeübt hat, folgt hieraus die örtliche Zuständigkeit des AG Senftenberg für die Sorgesache.

Die Zuständigkeit des AG Senftenberg fehlt auch nicht deshalb, weil das AG Senftenberg mit Beschluss vom 20.8.2002 (Bl. 60 d.A.) sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG W. verwiesen hat. Der Verweisungsbeschluss ist entgegen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO nicht bindend, da er greifbar gesetzeswidrig ist.

An der Geltung des § 281 ZPO für die isolierte Sorgerechtssache bestehen auf Grund der Ersetzung des grundsätzlich geltenden § 5 FGG durch die zivilprozessualen Verfahrensvorschriften gem. § 621a Abs. 1 S. 2 ZPO (vgl. bereits zuvor) keine Bedenken (s.a. BGHZ 71, 15 [16] = MDR 1978, 564; Keidel/Kuntze/Winkler-Schmidt, FGG, 15. Aufl. 2003, § 1 Rz. 41; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 621a Rz. 10).

Soweit Beschlüsse gem. § 281 Abs. 1 ZPO unanfechtbar und für das Gericht, an welches verwiesen worden ist, bindend sind (§ 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO), treten diese Wirkungen gleichwohl dann nicht ein, wenn sich der angefochtene Beschluss als greifbar gesetzeswidrig darstellt, also wenn ihm jegliche gesetzliche Grundlage fehlt und er sich daher als willkürlich darstellt (a.A., vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 23. A...

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