Leitsatz (amtlich)
Je nach Lage des Einzelfalls kann auch bei einem Abbruch der Berufsausbildung nach Ablauf der Hälfte der Ausbildungszeit ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für eine danach begonnene zweite Ausbildung gegeben sein.
Normenkette
BGB § 1610
Verfahrensgang
AG Eisenhüttenstadt (Beschluss vom 16.01.2014; Aktenzeichen 3 F 8/14) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden.
1. Zu Unrecht ist das AG davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ZPO. Bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 114 Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 167) kann zugunsten der Antragstellerin angenommen werden, dass die hinreichende Möglichkeit besteht, dass sie mit ihrem Begehren durchdringen wird.
a) Zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass vorliegend kein Abänderungsverfahren zu führen ist, sondern es um die Ersttitulierung geht. Denn die Jugendamtsurkunde vom 29.6.2009 war ausdrücklich auf die Zeit der Minderjährigkeit der Antragstellerin beschränkt. Der von den Beteiligten am 24.4.2012 vor dem Senat geschlossene Vergleich (10 UF 273/11) beinhaltet eine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nur bis einschließlich April 2012. Hinsichtlich des nun ab September 2012 begehrten Unterhalts war daher ein Leistungsantrag zu stellen.
b) Bei summarischer Betrachtung ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin dem Grunde nach gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gem. § 1610 Abs. 2 BGB zusteht.
Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Finanzierung einer Zweitausbildung (vgl. hierzu Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., § 2 Rz. 91). Denn angesichts des Abbruchs der ersten Ausbildung hat der Antragsgegner eine vollständige Berufsausbildung der Antragstellerin bislang nicht finanziert. Vielmehr sind die Grundsätze über einen Wechsel bzw. Abbruch der Ausbildung heranzuziehen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners befindet sich die Antragstellerin nicht in der dritten begonnenen Ausbildung. Vielmehr hat die Antragstellerin dargelegt, dass es sich sowohl bei der Ausbildung in K. als auch bei derjenigen in B. um eine solche zur Kosmetikerin handelt. Dem Ausbildungsvertrag mit dem Hotel in B. lässt sich entnehmen, dass zuvor zurückgelegte Ausbildungszeiten Anrechnung gefunden haben.
Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung kann zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner ihr gegenüber auch nach Abbruch der Ausbildung zur Kosmetikerin noch grundsätzlich zur Finanzierung der nun begonnenen Ausbildung zur Automobilkauffrau verpflichtet ist. Ein Wechsel der Ausbildung ist unterhaltsrechtlich unbedenklich, wenn er auf sachlichen Gründen beruht und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Jedem jungen Menschen ist zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Ihm ist daher eine Orientierungsphase zuzugestehen. Dem Unterhaltspflichtigen können der Wechsel der Ausbildung und die damit verbundenen Mehrkosten umso mehr zugemutet werden, je früher der Wechsel stattfindet (Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., § 2 Rz. 88). Hinsichtlich der Finanzierung eines Studiums ist anerkannt, dass dann, wenn keine besonderen etwa in einem Fehlverhalten der Eltern liegenden Umstände gegeben sind, ein Studienwechsel ohne Einverständnis des Verpflichteten in der Regel nur bis zum 2., allenfalls 3. Semester in Frage kommt, keinesfalls mehr in der 2. Studienhälfte (Wendl/Scholz, a.a.O., § 2 Rz. 89). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann bei summarischer Betrachtung zugunsten der Antragstellerin angenommen werden, dass hier der Ausbildungswechsel - unterhaltsrechtlich gesehen - noch rechtzeitig erfolgt ist.
Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen im Schriftsatz vom 7.11.2013 hat die Antragstellerin ihre Ausbildung zur Kosmetikerin zunächst vom 1.8.2010 bis zum 31.5.2011, also über einen Zeitraum von 10 Monaten, in K. absolviert. Nach einer kurzen Unterbrechung hat sie diese Ausbildung sodann vom 1.8.2011 bis zum 31.3.2012, also über weitere acht Monate fortgesetzt. Der Ausbildungsabbruch erfolgte mithin, nachdem 18 Monate absolviert waren. Angesichts einer Ausbildungsdauer von insgesamt 36 Monaten hat sich die Antragstellerin somit nach der Hälfte der Ausbildungszeit dafür entschieden, die Ausbildung zu beenden und s...