Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen trotz des Bezugs von Elterngeld

 

Normenkette

FamFG §§ 113, 239; ZPO §§ 114, 127, 323; BGB §§ 313, 1602-1603, 1606, 1615l; BEEG §§ 2, 11

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe aus den vom AG angeführten Gründen nicht vollständig versagt werden.

1. Das AG hat angenommen, die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese Einschätzung trifft nur eingeschränkt zu. Allerdings ist die Antragstellerin auch bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen -FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 167) nicht, wie sie selbst annimmt, vollständig leistungsunfähig.

a) Die Antragstellerin begehrt Abänderung eines am 15.1.2013 geschlossenen Vergleichs. Ihr Antrag ist gem. § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG zulässig, da sie Tatsachen vorträgt, welche die Abänderung rechtfertigen. Bei Abschluss des Vergleichs war die Antragstellerin noch erwerbstätig und erzielte unstreitig ein Nettoeinkommen von rund 1.717 EUR. Mit Rücksicht auf ein am ... 2013 geborenes Kind bezieht sie seit dem 20.6.2013 Elterngeld, geht einer Erwerbstätigkeit also nicht mehr nach.

Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, § 239 Abs. 2 FamFG. Bei Abänderung eines Vergleichs sind insoweit die Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, maßgebend (vgl. FamVerf/Schael, § 1 Rz. 329). Da Vergleichsgrundlage, wie ausgeführt, ein Einkommen der Antragstellerin aus Erwerbstätigkeit war, wird man ihr - anders als vom AG angenommen - nicht vorhalten können, sie sei bei Abschluss des Vergleichs bereits schwanger gewesen, weshalb sie sich nun auf eine Abänderung nicht berufen könne. Die Geschäftsgrundlage, nämlich die Erwerbstätigkeit der Antragstellerin, ist mit der Geburt des weiteren Kindes und dem anschließenden Bezug von Elterngeld weggefallen. Die Schwangerschaft war noch nicht gleichbedeutend mit der Geburt des Kindes; ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Elterngeld bezogen wird, war bei Abschluss des Vergleichs auch nicht eindeutig absehbar. Von daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Antragstellerin bei Abschluss des Vergleichs zur Zahlung von Kindesunterhalt für die beiden aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder auf der Grundlage der damals tatsächlich gegebenen Leistungsfähigkeit verpflichtet hat.

b) Schon wenn man von den derzeitigen tatsächlichen Einkünften der Antragstellerin ausgeht, ergibt sich nicht, wie von ihr geltend gemacht, eine vollständige Leistungsunfähigkeit.

Das von der Antragstellerin bezogene Elterngeld beläuft sich auf monatlich 1.021,86 EUR. Dieser Betrag ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin in vollem Umfang für Unterhaltszwecke einzusetzen. Auch unter Hinweis auf § 11 Satz 1 BEEG ist nicht ein Teilbetrag von 300 EUR unberücksichtigt zu lassen. Die von der Antragstellerin insoweit angeführte Rechtsprechung (BGH FamRZ 2011, 97, 99 Rz. 29) ist vorliegend nicht einschlägig. In der genannten Entscheidung ging es um Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB. Vorliegend begehrt die Antragstellerin hingegen Abänderung eines auf Kindesunterhalt gerichteten Titels, der schon bei seinem Abschluss im Hinblick auf monatliche Zahlungen von 205 EUR für jedes der beiden der 2. Altersstufe angehörenden Kinder nicht den Mindestunterhalt gesichert hat. Der Schutz eines Sockelbetrages von 300 EUR gilt gem. § 11 Satz 4 BEEG nicht u.a. in den Fällen des § 1603 Abs. 2 BGB (vgl. auch Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rz. 118). Vorliegend ist ein solcher Fall gegeben. Die Antragstellerin ist ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber unterhaltspflichtig und muss deshalb alle verfügbaren Mittel zu ihren und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Auszugehen ist vom tatsächlichen Elterngeld, auch wenn die Antragsgegner im Schriftsatz vom 25.7.2013 geltend gemacht haben, die Höhe des Elterngeldes beruhe auf einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin, bei der sie nicht voll-, sondern nur teilschichtig beschäftigt gewesen sei. Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich gem. § 2 BEEG nach dem Einkommen, das vor der Geburt des Kindes tatsächlich erzielt worden ist. Ein Elterngeld auf der Grundlage eines fiktiven Erwerbseinkommens scheidet aus. Die Frage einer vorangegangenen nicht vollschichtigen Tätigkeit berührt die Frage, ob der Unterhaltsschuldner der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gem. ...

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