Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung des Unterhaltsbestimmungsrechts
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des Bestimmungsrecht gem. § 1612 kommt dem Willen des volljährigen Kindes über die Art seiner Lebensführung keinesfalls eine stärkere Bedeutung als dem Gebot der Rücksichtnahme ggü. den wirtschaftlichen Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils zu.
Ist zwischen den Eltern eine Übereinkunft der Eltern des elterlichen Bestimmungsrechtes dergestalt zustande gekommen ist, dass die Tochter im Haushalt der Mutter versorgt werden soll, bedarf es keiner weiteren Erklärungen über die Fortführung des vorherigen Zustands, wenn die Tochter den Haushalt verlassen hat.
Normenkette
BGB § 1612 Abs. 2
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat mit insgesamt zutreffenden Erwägungen die Erfolgsaussichten für die angestrebte Klage gem. § 114 ZPO versagt.
1. Zunächst ist daran festzuhalten, dass die Antragsgegnerin ihr Bestimmungsrecht gem. § 1612 Abs. 2 BGB wirksam ausgeübt hat. Insoweit wird in allgemeiner Hinsicht zunächst auf den Beschluss des Senates vom 18.10.2007 (Aktenzeichen: 9 WF 288/07) Bezug genommen. Dabei ist erneut zu betonen, dass dem Willen des volljährigen Kindes über die Art seiner Lebensführung keinesfalls eine stärkere Bedeutung als dem Gebot der Rücksichtnahme ggü. den wirtschaftlichen Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils zukommt. An diesem Grundsatz ändert auch die Reform des Unterhaltsrechtes, in Kraft getreten zum 1.1.2008, und die damit verbundene Änderung der Regelung des § 1612 Abs. 2 BGB nichts. Die Belange des Kindes haben daher nur in Ausnahmefällen dann Vorrang, soweit schwerwiegende Gründe vorhanden sind, die ein Zusammenleben mit dem Elternteil bzw. die sonstige Annahme der durch das Bestimmungsrecht vorgegebenen Entgegennahme des Unterhaltes entgegenstehen. In Zweifelsfällen ist daher das Bestimmungsrecht als wirksam ausgeübt zu betrachten, die vollständige Darlegungs- und Beweislast für einen gegenteilige Ansicht trägt das volljährige unterhaltsberechtigte Kind (vgl. insgesamt m. Nachweisen Götsche, FamRB 2008, 83 f.).
Unter Beachtung dessen kann nicht festgestellt werden, dass ein tief greifendes Zerwürfnis - welches nach dem hiesigen Sachvortrag allein den Vorrang der kindlichen Belange rechtfertigen würde - zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin besteht. Dass die Antragstellerin auch aus Sicht ihrer beruflichen Ausbildung kritisch ggü. den Erziehungsmethoden ihrer Mutter (der Antragsgegnerin) betreffs der Geschwister eingestellt ist, genügt erkennbar nicht, um ein schwerwiegendes Zerwürfnis rechtfertigen zu können. Auch der von der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin geschilderte Streit, der Anlass für den Auszug bildete, reicht erkennbar nicht. Derartige Streitigkeiten zwischen Kindern und Eltern kommen nahezu in jeglichem familiären Verhältnis vor und rechtfertigen allein ebenfalls nicht die Vorrangigkeit der Belange des Kindes. Gerade auf Grund des familiären Zusammenlebens ist jedes Mitglied der Familie gehalten, derartige Konflikte mit auszutragen und möglichst einer Einigung zwischen allen Beteiligten zuzuführen. Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen sind ein natürlicher Bestandteil menschlicher Existenz und können deshalb nur in gravierenden Ausnahmefällen dazu führen, dass ein Zusammenleben nicht mehr möglich erscheint. Dies hat das AG zu Recht ausgeführt, die daran geäußerte Kritik der Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung ist gänzlich unverständlich.
Dass insoweit auch möglicherweise unangemessene Äußerungen seitens der Beteiligten, so seitens der Antragsgegnerin, wie von der Antragstellerin behauptet, gefallen sind (gemeint ist hier die Bemerkung "Balg", vgl. S. 6 der Antragschrift), belastet zwar das gegenseitige Verhältnis erheblich, rechtfertigt von sich aus aber nicht bereits die Annahme einer gänzlichen Zerrüttung. Erst Recht spricht dagegen, dass jedenfalls die Antragsgegnerin nachfolgend sich insoweit kompromissbereit bezeichnet hat, dass sie der Antragstellerin die Mitnahme von Möbeln und sonstigen Gegenständen zumindest teilweise ermöglicht hat. Auch aus dem weiteren Schriftverkehr zwischen den Parteien ist nicht erkennbar, dass das Verhältnis betreffs eines weiteren Zusammenlebens tief greifend zerstört ist.
2. Bedenken hat der wirksamen Ausübung des Bestimmungsrechts folgen auch nicht daraus, dass nach dem Auszug der Antragstellerin die Antragsgegnerin ihr allein angeboten hat, dass sie jederzeit wieder bei ihr wohnen und ihr Zimmer beziehen könne. Zwar ist der Kritik der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung dahin zuzustimmen, dass das bloße Angebot von Kost und Logis nicht ausreicht, um das elterliche Bestimmungsrecht wirksam auszuüben; vielmehr ist es erforderlich, dass umfassend dargestellt wird, wie der gesamte Bedarf des volljährigen Kindes gedeckt werden ...