Entscheidungsstichwort (Thema)
Hoheitliche Anordnung des paritätischen Wechselmodells
Leitsatz (amtlich)
Es spricht viel dafür, die vom Bundesgerichtshof formulierten äußerst strengen, schwer zu erfüllenden Anforderungen an die Anordnung des Wechselmodells für ein geeignetes Korrektiv gegenüber den Bedenken zu halten, das im Gesetz in Tatbestand und Rechtsfolge nicht ausgeführte Betreuungsmodell dürfe aus diesem Grunde weder zur Regel noch zur gleichgewichtigen Variante hoheitlicher Anordnungen werden.
Für die hoheitliche Anordnung eines Wechselmodells kommt es darauf an, dass die Erfüllung des erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs mit ausreichender Sicherheit zu erwarten ist. Ist dies nicht zu erwarten, so kommt es auf die Ursache dieses Mangels nicht an. Es geht nicht darum, Erwartungen, Wünsche oder Rechte der Eltern zu regeln, sondern allein entscheidend ist, ob die Regelung oder Nichtregelung dem Wohl des Kindes dient.
Eine hoheitliche Anordnung des Wechselmodells überwindet allein den gegen das Wechselmodell gerichteten Willen des einen Elternteils, wenn die strengen Anforderungen erfüllt sind. Zur Erfüllung der Anforderungen ist hoheitlicher Zwang nicht möglich.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1684
Verfahrensgang
AG Zossen (Aktenzeichen 6 F 482/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 18. Januar 2017 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller strebt die hoheitliche Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen der Antragsgegnerin an.
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des im August 2010 geborenen Kindes. Sie waren nicht verheiratet. Sie lebten zusammen. Zu dieser Familie gehörten auch die zwei weiteren 2002 und 2006 geborenen Kinder des Antragstellers, die er im Wochenwechsel mit deren Mutter betreut.
Nach mehreren Trennungen und Versöhnungen zog die Antragsgegnerin zuletzt im Mai 2015 mit dem Kind aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Die vom Antragsteller angestrebte Einrichtung des Wechselmodells scheiterte. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin gaben Sorgeerklärungen ab. Umgang hatte der Antragsteller mit dem Kind seitdem im Zweiwochenturnus zunächst von Mittwoch bis Montag, dann nach vorläufigen Einigungen in diesem Verfahren von Montag bis Mittwoch und Freitag bis Montag und danach in der Aufteilung von fünf (Antragsteller) und neun Tagen (Antragsgegnerin).
Der Antragsteller hat es für zwingend erforderlich gehalten, zum Wohl des Kindes das Wechselmodell durchzuführen. Die Bindung des Kindes an die Eltern sei zu beiden Seiten gleich stark und vertrauensvoll. Nur das Wechselmodell ermögliche es, die enge Bindung der Geschwister untereinander zu erhalten, die für alle drei Kinder wertvoll sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind ..., geb. am ... 2010, zu übertragen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen und
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das minderjährige Kind ..., geb. am ... 2010, unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen der Kindesmutter allein zu übertragen.
Sie hat gemeint, der durchgeführte Umgang habe die Bindung des Kindes zu den Geschwistern erhalten. Mangelhafte Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz des Antragstellers sprächen gegen einen größeren Betreuungsanteil in dessen Haushalt. Der Antragsteller habe einen Loyalitätskonflikt des Kindes ausgelöst, indem er es gegen die Antragsgegnerin aufbringe, ihm den Wunsch nach einem Wechselmodell einrede und Verabredungen mit dem Kind ohne Beteiligung der Antragsgegnerin treffe. Während der Dauer des Verfahrens hätten die Manipulationen des Kindes durch den Antragsteller noch zugenommen.
Das Jugendamt hat den Antragsteller und die Antragsgegnerin wegen der gegenseitigen Beschuldigungen und persönlichen Angriffe für ungeeignet gehalten, ein Wechselmodell durchzuführen. Im Verlaufe von Beratungsgesprächen habe sich der Konflikt eher verfestigt. Beide seien nicht kompromissbereit.
Der Verfahrensbeistand hat das Wechselmodell im Interesse des Kindes für wünschenswert gehalten. Dazu bedürfe es aber der besseren Zusammenarbeit der Eltern. Das Kind selbst gebe sich unbeschwert und habe zunächst keine Änderung des Umgangs, dann gleich langen abwechselnden Aufenthalt bei beiden Eltern gewünscht.
Das Amtsgericht hat die Eltern wiederholt persönlich angehört (Protokolle vom 16. September 2015, Bl. 86 f., 12. Januar 2016, Bl. 152, 9. August 2016, Bl. 192 f.). Es hat das Kind persönlich angehört (Protokoll vom 9. August 2016, Bl. 192 f.).
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht beide Anträge abgewiesen. Das Ziel des Antragstellers, die Betreuung im Wechselmodell, könne bei der Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kein...