Entscheidungsstichwort (Thema)

Hoheitliche Anordnung des paritätischen Wechselmodells

 

Leitsatz (amtlich)

Es spricht viel dafür, die vom Bundesgerichtshof formulierten äußerst strengen, schwer zu erfüllenden Anforderungen an die Anordnung des Wechselmodells für ein geeignetes Korrektiv gegenüber den Bedenken zu halten, das im Gesetz in Tatbestand und Rechtsfolge nicht ausgeführte Betreuungsmodell dürfe aus diesem Grunde weder zur Regel noch zur gleichgewichtigen Variante hoheitlicher Anordnungen werden.

Die Anordnung des Wechselmodells setzt eine positive Feststellung über das Vorliegen der vom Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen voraus, nicht allein die negative Feststellung, eine Verschlechterung der Lage des Kindes könne ausgeschlossen werden.

Die Hürde zur Anordnung des Wechselmodells ist beträchtlich höher als diejenige zur Regelung oder auch zur zwangsweisen Durchsetzung einer anderen Umgangsregelung. Wird Umgang bei überwiegender Betreuung des Kindes in einem Elternhaushalt gewährt, so ist das darauf gerichtete Grundbedürfnis und Recht des Kindes bereits erfüllt. Die Anordnung des Wechselmodells hängt von darüber hinausgehenden Anforderungen ab.

Die Prognose, das Verhalten der Eltern oder eines Elternteils könnte sich bessern, nachdem das Wechselmodell angeordnet worden ist, ist zu unsicher. Die Anordnung des Wechselmodells ist grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen.

 

Normenkette

BGB §§ 1671, 1684

 

Verfahrensgang

AG Zossen (Aktenzeichen 6 F 143/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 23. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller verlangt die hoheitliche Anordnung des paritätischen Wechselmodells zur Betreuung des beteiligten Kindes gegen den Willen der Antragsgegnerin.

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nie miteinander verheiratet gewesenen, voneinander getrennt lebenden Eltern des beteiligten 2009 geborenen Kindes, das im Haushalt der Antragsgegnerin lebt. Der Antragsteller hat auf Grund eines Gerichtsbeschlusses Pflicht und Recht zum Wochenendumgang mit dem Kind im Zweiwochenturnus. Umgang an Feiertagen und zur Ferienzeit haben die Eltern durch Vergleich geregelt.

Der Antragsteller betreibt die Abänderung der Umgangsregelungen und verlangt die Anordnung, das Kind solle im wöchentlichen Wechsel durch beide Eltern betreut werden.

Er hat gemeint, auch wenn die Kommunikation mit der Antragsgegnerin auf das Notwendigste reduziert sei und sie sich gegenüber Umgangsveränderungen verschließe, müsse das Wechselmodell angeordnet werden, um so dem darauf gerichteten Wunsch des Kindes zu entsprechen und es von der psychischen Belastung zu befreien, die darauf beruhe, dass dem Wunsch allein wegen des Widerstandes der Antragsgegnerin nicht entsprochen werde.

Die Antragsgegnerin hat sich gegen den Antrag gewandt. Sie bestreitet den von dem Antragsteller behaupteten Wunsch des Kindes. Belastet werde das Kind durch die von dem Antragsteller angestrengten Gerichtsverfahren.

Der Verfahrensbeistand hat sich gegen das Wechselmodell ausgesprochen. Es entspreche weder dem geäußerten Willen des Kindes noch seinen Bedürfnissen.

Das Jugendamt hat gemeint, es entspreche dem Kindeswohl am besten, die bestehende Umgangsregelung beizubehalten.

Das Amtsgericht hat das Kind und die Eltern persönlich angehört. Auf die Protokolle vom 17. April und 23. Oktober 2018 (Bl. 65 ff., 197 f.) wird verwiesen. Es hat ein schriftliches familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt, auf das verwiesen wird (Bl. 86 ff.).

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Es hat, gestützt auf das Gutachten, befürchtet, das Risiko einer Eskalation des Elternkonflikts werde bei Durchführung des Wechselmodells steigen und der Loyalitätskonflikt, in den das Kind verstrickt sei, werde sich verschärfen. Die Bindung des Kindes an den Antragsteller sei nicht in Gefahr, da Umgang gewährt werde.

Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde sein Anliegen weiter, das paritätische Wechselmodell solle gegen den Willen der Antragsgegnerin angeordnet werden. Das Amtsgericht habe nicht ausreichend beachtet, dass die von dem Sachverständigen attestierte gute Beziehung zu dem Kind allein auf den Bemühungen des Antragstellers beruhe, an denen er gegen den Widerstand der Antragsgegnerin festgehalten habe. Der wirkliche Wille des Kindes richte sich auf das Wechselmodell. Der Kommunikationsbedarf der Eltern werde sich durch das Wechselmodell nicht erhöhen. Alltagsangelegenheiten werde das Kind zunehmend selbst wahrnehmen. Über erzieherische Belange müssten sich die Eltern nicht mehr verständigen als bislang. Der Loyalitätskonflikt werde sich nicht verschärfen. Die Bindung an die beim Vater lebenden Halbgeschwi...

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