Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt, der im Scheidungsverfahren bevollmächtigt ist, hat regelmäßig auch Empfangsvollmacht für Mahnungen wegen Kindesunterhalts.
2. Der Rechtsverteidigung des beklagten Unterhaltsschuldners kann die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO nicht pauschal unter Hinweis darauf, er habe sich nicht hinreichend um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht, abgesprochen werden. Vielmehr ist dem Unterhaltsschuldner unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs ein fiktives Einkommen zuzurechnen und auf dieser Grundlage der Unterhaltsanspruch zu ermitteln.
3. Lebt das unterhaltsberechtigte Kind in den USA, kann im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren angenommen werden, dass der deutsche Regelbetrag geschuldet ist. Im Hauptverfahren ist dann der Unterhaltsbedarf unter Berücksichtigung der Umstände am Aufenthaltsort des Kindes festzustellen.
4. Für die Annahme verminderter Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners reicht der Umstand, dass das Arbeitsamt ihn ohne Umschulung für nicht vermittelbar hält, nicht aus.
5. Auch bei der Bemessung des Kindesunterhalts ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich ein Wohnvorteil zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 21.03.2001; Aktenzeichen 5 F 246/00) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F. zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des AG kann der Rechtsverteidigung des Beklagten die hinreichende Erfolgsaussicht nicht gänzlich abgesprochen werden. Da das AG keine Feststellungen zur Bedürftigkeit des Beklagten i.S.d. § 114 ZPO getroffen hat und lediglich eine nicht mehr aktuelle Erklärung des Beklagten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, die i.Ü. hinsichtlich der Angaben zu den Bankkonten nicht belegt ist, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten gehindert. Das AG wird über den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut befinden, § 575 ZPO a.F. (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 127 Rz. 38).
Die Rechtsverteidigung des Beklagten bietet allerdings nicht schon deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das AG etwa zu Unrecht seine internationale und örtliche Zuständigkeit angenommen hätte. Denn das AG Bernau ist insoweit zuständig. Dabei ist die internationale Zuständigkeit – vorbehaltlich anderer Regelungen, insb. in zwischenstaatlichen Abkommen, die hier nicht einschlägig sind, – immer dann gegeben, wenn nach den Bestimmungen über den Gerichtsstand ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist (BGH v. 1.4.1987 – IVb ZR 41/86, MDR 1987, 827 = FamRZ 1987, 682; v. 29.4.1992 – XII ZR 40/91, MDR 1993, 54 = FamRZ 1992, 1060; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 7 Rz. 228). Die örtliche Zuständigkeit des AG Bernau ergibt sich im Hinblick auf den Wohnsitz des Beklagten aus §§ 642 Abs. 1 S. 2, 12, 13 ZPO a.F. (vgl. auch Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 642 Rz. 5).
Das AG hat, obwohl die Klägerin in den USA lebt, zu Recht deutsches Unterhaltsrecht angewandt. Mangels anderer Angaben kann angenommen werden, dass beide Parteien nach wie vor deutsche Staatsangehörige sind. Deshalb ist nach Art. 18 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht anzuwenden (vgl. auch Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 7 Rz. 11).
Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 19) ist davon auszugehen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten Unterhalt bereits ab Februar 1998 verlangen kann. Denn die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit i.S.v. § 1613 Abs. 1 BGB sind insoweit gegeben. Die Klägerin hat den Beklagten mit Anwaltschreiben vom 18.12.1997 „mit sofortiger Wirkung mit einem monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 450 DM in Verzug” gesetzt. Dieses Schreiben ist zwar an die Rechtsanwältinnen W. & W., die Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten im Scheidungsverfahren und jetzigen Prozessbevollmächtigten im Unterhaltsverfahren, gerichtet und der Beklagte hat bestritten, dass die Rechtsanwältinnen insoweit empfangsbevollmächtigt gewesen seien. Von einer wirksamen Inverzugsetzung durch Mahnung i.S.d. § 284 BGB a.F. ist aber dennoch auszugehen. Insbesondere ist anzunehmen, dass die Adressatinnen des Schreibens vom 18.12.1997 empfangsbevollmächtigt waren.
Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen (Palandt/Heinrichs, BGB, § 284 Rz. 16). Da es sich bei der Mahnung um eine geschäftsähnliche Willensäußerung handelt (Thede in MünchKomm, BGB, 4. Aufl.,
§ 284 Rz. 39; Staudinger/Loewisch, BGB, 13. Bearb., Neubearb. 2001, § 284, Rz. 42.), s...