Leitsatz (amtlich)
Die Einzelweisung, einen bestimmten Schriftsatz sofort per Fax zu übermitteln, macht eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht überflüssig.
Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 6 O 15/03) |
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin vom 29.4.2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.1.2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Cottbus (LG Cottbus, Urt. v. 22.1.2004 - 6 O 15/03) wird verworfen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
4. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.035.469 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die beklagte kreisfreie Stadt als Rechtsnachfolgerin der im Zuge der kommunalen Neugliederung in die Beklagte eingegliederten Gemeinde G. einen Anspruch wegen des Scheiterns eines Investitionsvorhabens geltend.
Das LG hat durch am 22.1.2004 verkündetes und der Klägerin am 28.1.2004 zugestelltes Urteil ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Den Tatbestand des Urteils hat es nachfolgend durch Beschluss vom 25.3.2004 berichtigt. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin durch am 27.2.2004 beim OLG Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden bis zum 28.4.2004 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 29.4.2004 bei Gericht eingegangen. Durch Schriftsatz von diesem Tage hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung vor Fristablauf gefertigt und unterzeichnet. Er habe der langjährigen Mitarbeiterin des Sekretariats, Frau G.M., die ihre Aufgaben - wie durch regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten erwiesen sei - fehlerlos und sorgfältig erfülle, die Anweisung gegeben, den Schriftsatz noch am 28.4.2004 an das OLG zu faxen, und sich dann zu einem auswärtigen Termin begeben. Die Frist sei auch im Fristenkalender notiert worden. Die Mitarbeiterin habe es jedoch entgegen der Einzelweisung versäumt, den Auftrag auszuführen. Dies habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst in den späten Nachtstunden bemerkt und den Schriftsatz seinerseits - nach Mitternacht - an das OLG gefaxt.
II. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. § 233 ZPO statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden. Insbesondere ist die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unbegründet.
Aus dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 29.4.2004 ergibt sich nicht, dass sie ohne ein Verschulden i.S.d. § 233 ZPO an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert war. Der Klägerin ist vielmehr gem. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Es ist zumindest nicht ausgeräumt, dass ein anwaltlicher Sorgfaltsverstoß in Gestalt einer unzureichenden Organisation der Überwachung der Rechtsmittelfristen vorliegt.
Der Rechtsanwalt muss zur Wahrung von Rechtsmittelfristen eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insb. einen Fristenkalender führen (st. Rspr., vgl. BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577). Die Fristenkontrolle setzt voraus, dass Fristen zur Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen deutlich gekennzeichnet werden. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte eine wirksame Ausgangskontrolle sicherzustellen, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht ist (vgl. BGH NJW 2004, 668 [689]; NJW 2000, 1957). Dass die Organisation der Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen genügt, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Im Schriftsatz vom 29.4.2004 führt die Klägerin lediglich aus, die Frist sei im Fristenkalender notiert worden. Welche über die Führung eines solchen Kalenders hinausgehenden organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung von Fristen - insb. zur Ausgangskontrolle - getroffen worden sind, bleibt danach offen. Werden solche organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen und glaubhaft gemacht, ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten zu vermuten und der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen (vgl. BGH NJW 2004, 688).
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine Einzelanweisung erteilt habe, die von der ansonsten zuverlässigen Bürobediensteten missachtet worden sei. In der Rechtsprechung des BGH ist zwar anerkannt, dass es beim Vorliegen einer konkreten Einzelanweisung auf allgemeine organisatorische Regelungen...