Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltszwang nach § 114 Abs. 1 FamFG bei Folgesachen (hier: Versorgungsausgleich)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 114 Abs. 1 FamFG besteht Anwaltszwang in Versorgungsausgleichssachen nur dann, wenn der Versorgungsausgleich Folgesache im Scheidungsverbund ist.

2. Die Fortführung einer abgetrennten Versorgungsausgleichssache als selbständige Familiensache bedeutet nicht, dass der abgetrennte Versorgungsausgleich seinen Charakter als Folgesache verliert, also in vollem Umfang wie eine isolierte Versorgungsausgleichssache zu behandeln wäre.

3. Hat das Versorgungsausgleichsverfahren durch die Abtrennung in einem Scheidungsurteil vom 2.3.2009 seinen Charakter als Folgesache nicht verloren, besteht hinsichtlich der Anfechtung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich Anwaltszwang.

 

Normenkette

FGG-RG Art. 111 Abs. 4 S. 1; FamFG § 10 Abs. 1, § 114 Abs. 1; ZPO §§ 623, 628

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 08.03.2010)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Fürstenwalde vom 8.3.2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23.3.2010 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.870 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Ehe der beteiligten Eheleute wurde durch Urteil des AG vom 2.3.2009 (10 F 268/08) geschieden. Zugleich wurde die Folgesache über den Versorgungsausgleich gem. § 628 ZPO a.F. abgetrennt. Mit Verfügung vom 14.9.2009 hat das AG das Verfahren auf der Grundlage des VersAusglG fortgeführt und neue Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt. Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Versorgungsausgleich durchgeführt. Wegen der Entscheidung im Einzelnen und der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen. Auf Veranlassung des erkennenden Richters des AG ist der Beschluss den beteiligten Eheleuten persönlich und den Versorgungsträgern zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 23.3.2010, noch am selben Tag beim AG eingegangen, hat die Antragstellerin "Widerspruch" gegen den Beschluss erhoben und die Auffassung vertreten, der Versorgungsausgleich dürfe nicht durchgeführt werden, da beide Eheleute auf die Durchführung durch Notarvereinbarung vom 20.10.2008 verzichtet hätten. Durch Verfügung vom 8.4.2010 hat das AG die Beteiligten wie auch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin aus dem Scheidungsverfahren 10 F 268/08 darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Familiensenate des OLG Brandenburg das Vertretungsverhältnis der Antragstellerin zu ihrer Verfahrensbevollmächtigten aus dem Scheidungsverfahren wohl fortbestehe, so dass mangels Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigte die Beschwerdefrist noch nicht zu laufen begonnen habe. Der Notarvertrag vom 20.10.2008 führe auf der Grundlage des anzuwendenden VersAusglG zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs, so dass der angefochtene Beschluss vom 8.3.2010 wohl unzutreffend sei, dieser Fehler aber vom AG nicht mehr geheilt werden könne. Alsdann ist die Akte dem Senat vorgelegt worden.

Durch Verfügung vom 11.5.2010 hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Antragstellerin, weil nicht von einem Anwalt eingelegt, unzulässig sein dürfte, die Beschwerdefrist aber erst durch die förmliche Zustellung der Beschlüsse an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsstellerin in Lauf gesetzt werde. Zugleich hat der Senat die Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 8.3.2010 und des Berichtigungsbeschlusses vom 23.3.2010 an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin veranlasst. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisse sind die Beschlüsse der Verfahrensbevollmächtigten am 31.5.2010 zugestellt worden. Eine Reaktion der Beteiligten auf die Verfügung des Senats ist nicht erfolgt.

II. Das als "Widerspruch" bezeichnete Schreiben der Antragstellerin vom 23.3.2010 ist als Beschwerde gegen den Beschluss des AG vom 8.3.2010 anzusehen. Das Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen, da es nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.

Gemäß Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Das Verfahrensrecht bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf die unter dem 2.3.2009 erfolgte Abtrennung nach dem FamFG. Dies hat vorliegend zur Folge, dass sich die beteiligten Eheleute durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. In Versorgungsausgleichssachen gem. § 111 Nr. 7 FamFG besteht ein Anwaltszwang allerdings nur dann, wenn der Versorgungsausgleich Folgesache im Scheidungsverbund ist, § 114 Abs. 1 FamFG, während im isolierten Versorgungsausgleichsverfahren eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, § 10 Abs. 1 FamFG (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Weidemann, 2. Aufl., § 6 Rz. 13 f.). Vorliegend ist das Verfahren über den Versorgungsausgleich aber als Folgesache anzusehen, so dass Anwaltszwang...

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