Verfahrensgang
AG Neuruppin (Entscheidung vom 16.03.2020; Aktenzeichen 82.1 OWi 240/19) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 5. Mai 2020 wird aufgehoben.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 16. März 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bußgeldbescheid vom 6. Juni 2019 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindesten 44 km/h auf eine Geldbuße von 160,00 € erkannt und zugleich ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Mit dem Bußgeldbescheid wird dem Betroffenen vorgeworfen, am ... Mai 2019 gegen 10:33 Uhr mit dem Pkw amtliches Kennzeichen ... auf der Bundesautobahn ..., zwischen Anschluss ... und RTK ..., Fahrtrichtung ..., die dort bestehende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 44 km/h überschritten zu haben.
Nach form- und fristgerecht erhobenem Einspruch hat die Bußgeldrichterin mit Verfügung vom 2. Januar 2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 16. März 2020 um 10:30 Uhr anberaumt. Die Terminladung wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 13. Januar 2020 zugestellt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Januar 2020 beantragte der Verteidiger des Betroffenen Terminverschiebung, da er an dem avisierten Hauptverhandlungstermin bereits als Verteidiger in einer Strafsache bei dem Amtsgericht Königs Wusterhausen geladen war. Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 teilte die Bußgeldrichterin dem Verteidiger mit, dass sie dem Antrag auf Terminverlegung nicht stattgeben könne und führte zur Begründung aus, dass "bei der Vielzahl von Einsprüchen in Owi-Sachen" ausgeschlossenen sei, Termine wegen Verhinderung des Verteidigers zu verlegen.
Zu dem Hauptverhandlungstermin am 16. März 2020 erschien weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Hierauf verwarf das Bußgeldgericht mit Urteil vom selben Tag den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 6. Juni 2019 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens zur Hauptverhandlung. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Entschuldigungsgründen seien nicht ersichtlich.
Das Urteil wurde dem Betroffenen am 1. April 2020 förmlich zugestellt. Mit dem bei Gericht am selben Tag angebrachten Anwaltsschriftsatz hat der Betroffenen gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Mit Beschluss vom 5. Mai 2020 hat das Amtsgericht Neuruppin den "Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde" gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 16. März 2020 als unzulässig verworfen, da das eingelegte Rechtsmittel nicht begründet worden sei.
Mit dem bei Gericht am 7. Mai 2020 eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Betroffene sein Rechtmittel (weiter) begründet. Mit der Verfahrensrüge wendet er sich gegen die Ablehnung der Terminverlegung, in der er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht bzw. des fairen Verfahrens sowie eine Verletzung des Rechts, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger zu bedienen.
Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 12. Mai 2020 hat der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 5. Mai 2020 Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 346 Abs. 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG beantragt und hierzu ausgeführt, dass der Verwerfungsbeschluss zur Unzeit ergangen sei, nämlich "deutlich" vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist. Die Rechtsbeschwerde sei fristgerecht begründet worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 7. September 2020 beantragt, auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtbeschwerdegerichts den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 5. Mai 2020 aufzugeben und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil vom 16. März 2020 ebenfalls aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Neuruppin zurückzuverweisen.
II.
Der Senat folgt den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg; die Rechtsmittel des Betroffenen haben (vorläufigen) Erfolg.
1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 346 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3OWiG statthaft und form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses vom 5. Mai 2020. Denn das Amtsgericht hätte die am 1. April 2020 eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil vom 16. März 2020 nicht als unzulässig verwerfen dürfen.
Dem Amtsgericht sind gleich ...