Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung des unterhaltsrechtlich bedeutsamen Einkommens eines selbstständig tätigen Unterhaltsschuldners kann im Prozesskostenhilfeverfahren zu dessen Gunsten angenommen werden, dass die in den Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesenen Abschreibungen linear und damit berücksichtigungsfähig sind. Auch kann im Prozesskostenhilfeverfahren ausnahmsweise die Vorlage einer Einnahme-Überschussrechnung mit monatlicher Aufstellung ausreichen.
2. Bei unrentabler selbständiger Beschäftigung, speziell in Fällen gesteigerter Erwerbsobliegenheit, besteht eine Verpflichtung zum Berufswechsel oder zur Aufnahme von Nebentätigkeiten.
3. Die nicht abschließend geklärte Rechtsfrage, ob der Unterhaltsschuldner, der Einwendungen gegen einen Festsetzungsbeschluss nach § 655 ZPO nicht im Wege der Klage nach § 656 ZPO geltend gemacht hat, mit Einwendungen, die er seinerzeit schon hätte erheben können, bei einer späteren Abänderungsklage nach § 323 ZPO ausgeschlossen ist, darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der bedürftigen Partei beantwortet werden.
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 17.09.2004; Aktenzeichen 6 F 390/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.
Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.2.2004 vor, deren Angaben, beispielsweise hinsichtlich der Bank-, Giro-, Sparkonten, nicht vollständig belegt sind. Das AG wird den Kläger auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen zu sämtlichen Angaben einzureichen. Auf dieser Grundlage wird das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.
Entgegen der Auffassung des AG bietet die Rechtsverfolgung des Klägers überwiegend hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass er Herabsetzung des für die Beklagten titulierten Unterhalts auf je 83 EUR monatlich verlangen kann.
In seiner Beschwerdeentscheidung vom 14.8.2003 (10 WF 147/03) bezüglich des Abänderungsverfahrens vor dem AG zum Aktenzeichen 6 F 240/03 hat der Senat die Anforderungen, die an das Vorbringen eines selbständigen Abänderungsklägers zu stellen sind, ausgeführt. Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nun, anders als in jenem Beschwerdeverfahren, gerecht. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren erstmals Angaben zu den Grundlagen des abzuändernden Titels gemacht. Auch hat er unter Berücksichtigung der mit seiner Beschwerde vorgelegten Unterlagen erstmals Einnahme-Überschussrechnungen für drei aufeinanderfolgende Jahre vorgelegt. Er begehrt Abänderung der Unterhaltstitel ab 1.3.2004. Angesichts dessen kommt es auf seine Einkommensverhältnisse in den Jahren 2001 bis 2003 an. Mit der Beschwerdeschrift vorgelegt hat er neben der Einnahme-Überschussrechnung für das Jahr 2000, die für den vorliegenden Unterhaltszeitraum ohne Bedeutung ist, die Einnahme-Überschussrechnungen für die Jahre 2001 und 2002. Bereits mit seiner Klageschrift hat er eine Einnahme-Überschussrechnung für das Jahr 2003 eingereicht. Bei dieser handelt es sich zwar, anders als für die Vorjahre, um eine Abrechnung für die einzelnen Monate des Jahres 2003. Am Ende dieser Aufstellung sind aber die gesamten Provisionseinnahmen ebenso wie die Betriebsausgaben aufaddiert und ein Überschuss vor Steuern errechnet. Auch lässt sich den einzeln aufgeführten Betriebsausgaben mit Ausnahme derjenigen für den Monat Januar 2003 jeweils der Anlass entnehmen, sodass eine Prüfung dahin, ob es sich um nur steuerlich bedeutsame Aufwendungen handelt oder um solche, die auch unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, möglich ist.
Auf der Grundlage der vorgelegten Einnahme-Überschussrechnungen für die Jahre 2001 bis 2003 ergibt sich zwar, dass der Kläger nahezu leistungsunfähig ist. Er ...