Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame elterliche Sorge: fehlende tragfähige soziale Beziehung bei Strafanzeige mit erheblichem Verfolgungseifer; fehlende Verständigungsmöglichkeiten bei besonders schutzbedürftigem Kind; Informationsanspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils
Leitsatz (amtlich)
1. Die Strafanzeige eines Elternteils mit einem ganz erheblichen Verfolgungseifer gegenüber dem anderen Elternteil kann für eine fehlende tragfähige soziale Beziehung, nämlich für eine weitgehende Zerrüttung der persönlichen Beziehung zwischen den Eltern sprechen, so dass eine soziale Basis für eine künftige Kooperation zwischen ihnen regelmäßig nicht bestehen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 -, Rn. 17, juris).
2. Bei unzureichender Kommunikation fehlen die Voraussetzungen für eine gemeinsame elterliche Sorge unabhängig davon, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 -, Rn. 15, juris).
3. Ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 419/15 -, BGHZ 211, 22-37, Rn. 27 m.w.N.). Dies gilt in gesteigertem Maße bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Kindes.
4. Eine aus Sicht eines nicht sorgeberechtigten Elternteils unzureichende Information über Belange des Kindes rechtfertigt keine gemeinsame elterliche Sorge. Der Informationsanspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils ist vielmehr in § 1686 BGB geregelt; insoweit steht die Auskunftsverpflichtung des Sorgerechtsinhabers selbständig neben einer Regelung des Umgangs (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2017 - XII ZB 245/16 -, Rn. 13, juris).
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Aktenzeichen 55 F 214/17) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 02.03.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR
II. Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe zur Abwehr der Beschwerde des Antragstellers unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Malchow, bewilligt.
Gründe
1. Der beschwerdeführende Antragsteller erstrebt die gemeinsame elterliche Sorge für sein eingangs bezeichnetes Kind.
Der am 04.09.2007 geborene Sohn der Antragsbeteiligten leidet an einer Trisomie 21, einem Diabetes mellitus Typ 1 und ist Autist.
Der Antragsteller leitete nach Trennung von der Antragsgegnerin im Jahre 2009 mehrere gerichtliche Verfahren über Umgang und elterliche Sorge ein. In Ansehung dortiger Äußerungen erstattete er 2014 Strafanzeige gegen eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, der Jugendhilfe, gegen die Leiterin einer das Kind betreuenden Kita, gegen die Leiterin des das Kind betreuenden SPZ der Rupinner Kliniken sowie gegen die Antragsgegnerin, insoweit neben des Verdachtes von Aussagedelikten auch wegen des Verdachtes einer falschen Verdächtigung, Verleumdung, Urkundenfälschung und allen weiteren in Betracht kommenden Straftaten, 2015 erweitert um einen Antrag auf Nebenklage (vgl. 1, 187 Staatsanwaltschaft Neuruppin 3101 Js... /14; fortan auch: Ermittlungsakte). Gegen die mit dem Fehlen eines Anfangsverdachtes begründete Einstellungsverfügung vom 21.07.2015 legte er unter dem 02.08.2015 Beschwerde ein, die der Generalstaatsanwalt als unbegründet zurückwies (vgl. 194, 196, 203 Ermittlungsakte).
Seinen erneuten Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge hat der Antragsteller zuletzt im Wesentlichen damit begründet, die von ihm benötigten Informationen nicht in ausreichendem Maß erhalten zu haben sowie mit möglichen Problemen bei einem Ausfall der Kindesmutter.
Antragsgegnerin, Verfahrensbeistand und Jugendamt sind dem Antrag entgegengetreten. Die Kindesmutter hat auf das Fehlen jeglichen Vertrauensverhältnisses verwiesen, der Verfahrensbeistand darüber hinaus das Informationsbedürfnis des Antragstellers für überzogen gehalten und als Mittel der Selbstdarstellung gewertet (vgl. 167), und das Jugendamt hat mit Antragsgegnerin und Verfahrensbeistand im Falle einer gemeinsamen Sorge gleichfalls eine Gefährdung des Behandlungsverlaufs durch fehlende Abstimmung der Eltern und Eigenmächtigkeiten befürchtet (vgl. 166).
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (185 ff), hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Den Ausführungen der Antragsgegnerin, des Verfahrensbeistands und des Jugendamtes folgend hat es das Fehlen einer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen tragfähigen Beziehung festgestellt ebenso wie das Fehlen eines Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen den Eltern, sodass sie außerstande sein werden, Entscheidungen in wesentlichen Sorgerechtsbereichen konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen zu erzielen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Übertragungsbegehre...