Leitsatz (amtlich)
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer darauf, ein die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkendes Verkehrszeichen übersehen zu haben, und ist ihm diese Einlassung nicht zu widerlegen, so kann die Verhängung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nicht allein darauf gestützt werden, dass das Verkehrszeichen beidseitig aufgestellt war.
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Lübben (Entscheidung vom 27.01.2009; Aktenzeichen 40 OWi 354/08) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Lübben vom 27. Januar 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Lübben zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt, gegen ihn ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt und bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten nach Rechtskraft des Urteils. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 6. März 2008 um 14.00 Uhr als Fahrer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen VEC-TL 244 die Bundesautobahn 13 zwischen der Anschlussstelle Duben und der Anschlussstelle Lübbenau in Richtung der Anschlussstelle Lübbenau, wobei er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um mindestens 44 km/h überschritt; die Messung der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit erfolgte über 1000 m hinter einer beidseitigen Beschilderung, welche die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h beschränkte.
Im Zusammenhang mit der Verhängung des Fahrverbots gegen den Betroffenen enthält das Urteil die folgenden Ausführungen:
"Der Betroffene hat ... in der Hauptverhandlung ... erklärt, ... er habe sich während der Fahrt mit anderen, sich im PKW befindlichen Personen, unterhalten und müsse aus diesem Grund die Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen haben.
...
Unter Beachtung der erforderlichen und von ihm zu erwartenden Sorgfalt hätte der Betroffene aufgrund der beidseitig aufgestellten Geschwindigkeitsbeschränkung diese ohne weiteres erkennen können und müssen. Das Gericht ging daher davon aus, dass der Betroffene zumindest fahrlässig gehandelt hat.
...
Darüber hinaus war gemäß § 25 (StVG) ein Fahrverbot zu verhängen. Der Betroffene hat die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers grob verletzt. Die objektiv grobe Pflichtverletzung folgt aus dem Maß der Geschwindigkeitsübertretung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. der lfd. Nr. 11.3.7 BKatV. Auch in subjektiver Hinsicht liegt eine grobe Pflichtverletzung vor. Die subjektiv grobe Pflichtverletzung ist regelmäßig indiziert. Gründe für ein Augenblicksversagen bei einer beiderseitigen Geschwindigkeitsbeschränkung sind nicht erkennbar."
Hiergegen richtet sich die in jeweils zulässiger Weise eingelegte und begründete und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.
II.
Das Rechtmittel des Betroffenen ist begründet. Die Ausführungen, mit denen das Amtsgericht die Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betroffenen begründet hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen, die das Amtsgericht zum Verkehrsverstoß getroffen hat, bilden keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung, gegen den Betroffenen ein Regelfahrverbot zu verhängen, weil sie unvollständig sind. Dies ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch führt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senat vom 2. April 2009 - 2 Ss (OWi) 29 B/09 - und vom 26. März 2009 - 2 Ss (OWi) 30 B/09 -); darüber hinaus ist die vom Amtsgericht herangezogene Begründung, gegen den Betroffenen (gleichwohl) ein Regelfahrverbot zu verhängen, rechtsfehlerhaft.
1.
Das Amtsgericht hat einen Verkehrsverstoß des Betroffenen festgestellt, bei dem nach der lfd. Nr. 11.3.7 BKatV Anhang i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV die Anordnung eines Fahrverbots von 1 Monat wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht kommt. Bei dieser Zuwiderhandlung ist eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers, bei der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Fahrverbot verhängt werden kann, indiziert. Dabei betrifft die Indizwirkung zunächst, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennbar sind, sowohl die objektive als auch die subjektive Seite des Vorwurfs.
Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Autobahn, auf der es grundsätzlich keine Geschwindigkeitsbeschränkung gibt, begangen wurde und ihr die Nichtbeachtung eines die zulässige Höchstgeschwindigkeit ...