Leitsatz (amtlich)

Wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Beteiligten verschlechtern, ist die Entscheidung über ihre Zahlung an die Staatskasse rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verschlechterung zu ändern. Auf den Zeitpunkt einer etwaigen Antragstellung durch den Beteiligten kommt es nicht an. Denn das Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO ist ein Amtsverfahren. Dem entsprechend kann der Hinweis eines Beteiligten auf eine verschlechterte wirtschaftliche Lage dazu führen, dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung rückwirkend, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, abgeändert wird

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Lübben (Spreewald) (Beschluss vom 14.01.2013; Aktenzeichen 30 F 343/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das AG die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufgehoben. Die Voraussetzungen dafür gem. § 124 Nr. 4 ZPO liegen nicht vor.

Gemäß § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn die Partei bzw. der Beteiligte länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist. Im Aufhebungsverfahren kann ein Hinweis des Beteiligten auf die Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage als Abänderungsantrag gem. § 120 Abs. 4 ZPO zu deuten sein (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2006, 1854; OLG Nürnberg, FamRZ 2005, 1265; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 226). Davon ist auch das AG grundsätzlich zutreffend ausgegangen, indem es, nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5.7.2012 eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hatte, durch Beschluss vom 16.8.2012 die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe, die bis dahin die Zahlung monatlicher Raten von 60 EUR vorgesehen hatte, mit Wirken ab 1.8.2012 dahin abgeändert hat, dass Raten nicht mehr zu leisten sind. Unzutreffend ist aber die vom AG in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 21.6.2013 geäußerte Auffassung, wonach ungeachtet des Abänderungsbegehrens des Antragstellers die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung gerechtfertigt sei, weil die rückständigen Raten für die Monate Mai bis Juli 2012 nicht beglichen worden seien; die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse könne erst von dem Zeitpunkt an berücksichtigt werden, in dem sie mitgeteilt worden sei; bei Eingang des Abänderungsantrags am 6.7.2012 seien die Monatsraten von Mai bis Juli 2012 bereits fällig gewesen.

Wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Beteiligten verschlechtern, ist die Entscheidung über ihre Zahlung an die Staatskasse rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verschlechterung zu ändern (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 121 Rz. 32). Auf den Zeitpunkt einer etwaigen Antragstellung durch den Beteiligten kommt es nicht an. Denn das Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO ist ein Amtsverfahren (vgl. FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 213). Dem entsprechend kann der Hinweis eines Beteiligten auf eine verschlechterte wirtschaftliche Lage dazu führen, dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung rückwirkend, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, abgeändert wird (LAG Rheinlandpfalz, Beschl. v. 22.11.2012 - 6 Ta 205/12, BeckRS 2013, 65241; Zöller/Geimer, a.a.O., § 124 Rz. 19a).

Vor diesem Hintergrund hätte das AG prüfen müssen, ob nicht bereits vor dem 1.8.2012, und damit zu einem Zeitpunkt, der in den Zeitraum der nicht gezahlten Raten fällt, eine Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingetreten ist, die zu einem Wegfall der Ratenzahlung hätte führen können. Dass es dem Antragsteller darauf ankam, eine auch rückwirkende Verschlechterung seiner Verhältnisse geltend zu machen, wird aus dem Umstand deutlich, dass er in seinem Schriftsatz vom 5.7.2012 insbesondere auf die Anmietung einer größeren Wohnung im Hinblick darauf, dass ein Kind in seinen Haushalt zurückgekehrt sei, hingewiesen und hierzu einen Mietvertrag, der bereits für die Zeit ab 1.5.2012 geschlossen worden war, vorgelegt hat.

Nach alledem kann die Aufhebung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6661222

FamRZ 2014, 1727

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge