Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Kostengrundentscheidung im Rechtsmittelverfahren geändert, kann im Hinblick auf Kosten, die aufgrund der nicht rechtskräftig gewordenen Kostengrundentscheidung bereits festgesetzt und bezahlt worden sind, in einem vereinfachten Verfahren im Wege einer sog. Rückfestsetzung ein Rückzahlungstitel geschaffen werden. Die bloße Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Wegfall der ihm zugrunde liegenden Kostenentscheidung wird dem Rückzahlungsinteresse der Partei nicht gerecht, die hierauf bereits geleistet hat.
2. Im Rückfestsetzungsverfahren kann eine Aufrechnung als materiell-rechtliche Einwendung berücksichtigt werden, wenn die Aufrechnungsforderung unstreitig ist. Erforderlich hierfür ist eine ausdrückliche oder stillschweigende Aufrechnungserklärung der zur Rückzahlung festgesetzter Beträge verpflichteten Partei.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 06.07.2011; Aktenzeichen 51 O 86/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den die Rückfestsetzung für die erste Instanz vornehmenden Kostenfestsetzungsbeschluss des LG vom 6.7.2011 - 51 O 86/09 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Das LG hat mit am 17.12.2009 verkündetem Urteil das die Klage abweisende Versäumnisurteil vom 15.10.2009 aufrechterhalten. Die Kosten des Rechtsstreits hat es im Versäumnisurteil und im das Versäumnisurteil aufrechterhaltenden Urteil dem Kläger auferlegt.
Der Rechtspfleger des LG hat mit Beschluss vom 11.2.2010 aufgrund der erstinstanzlichen Urteile die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten erster Instanz auf insgesamt 1.635 EUR festgesetzt. Hierauf hat die Rechtsschutzversicherung des Klägers noch im Februar 2010 unter Einschluss von Zinsen einen Betrag i.H.v. 1.645,55 EUR bezahlt.
Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien am 2.11.2010 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.000 EUR zu zahlen. Nach der Kostenregelung des Vergleichs sollten von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Kläger 19/20, die Beklagte 1/20 tragen; von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz und des Vergleichs sollten der Kläger 16/17 und die Beklagte 1/17 tragen.
Der Rechtspfleger des LG hat aufgrund der Kostenregelung in dem Vergleich mit Beschluss vom 23.3.2011 die Kosten erster Instanz ausgeglichen und zugunsten der Beklagten einen Betrag i.H.v. 1.445,40 EUR festgesetzt.
Dagegen hat der Kläger wegen der von seiner Rechtsschutzversicherung auf den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.2.2010 geleisteten Zahlung sofortige Beschwerde eingelegt. Auf Hinweis des Rechtspflegers hat er dieses Rechtsmittel zurückgenommen und wegen dieser Zahlung Rückfestsetzung beantragt. Diesem Antrag hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 6.7.2011 entsprochen und die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.645,55 EUR festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 8.7.2011 zugestellt worden ist, wendet sich die Beklagte mit ihrer am 21.7.2011 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.2.2010 sei durch denjenigen vom 23.3.2011 ersetzt worden. Einer Rückfestsetzung bedürfe es nicht, es genüge, wenn der ursprüngliche Titel aufgehoben werde.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 27.7.2011 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagte 1.645,55 EUR und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 EUR.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 91 Abs. 4 ZPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 (BGBl. I, 2198) gehören zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO auch die Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat. Die obsiegende Partei muss, wenn das erstinstanzliche, vorläufig vollstreckbare Urteil im weiteren Verlauf des Rechtsstreits aufgehoben oder abgeändert wird, ihren aus § 717 Abs. 2 ZPO resultierenden Schadensersatzanspruch nicht in einem besonderen Rechtsstreit geltend machen, sondern kann die Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren durch den Rechtspfleger "rückfestsetzen" lassen. Diese Praxis, die von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur seit längerem zugelassen, aber umstritten war, ist mit der Einführung von § 91 Abs. 4 ZPO Gesetz geworden (vgl. BGH NJW-RR 2005, 79, zitiert nach Juris). Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift klargestellt, dass auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlauf des Rechtsstreits gezahlt hat, solche des Rechtsstreits sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.8.2010 - 24 W 53/10, zitiert nach Juris).
Dasselbe gilt, wenn wie hier der Kläger nach der erstinstanzliche...