Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 12.06.2020; Aktenzeichen 20 StVK 366/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 12. Juni 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte - der im Übrigen vielfach, unter anderem wegen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung, vorbestraft ist und der sich schon seit Juli 1994 nicht mehr in Freiheit befindet, sondern seither ununterbrochen entweder in Untersuchungshaft oder in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht war - ist mit Urteilen des Landgerichts Neuruppin vom 16. Oktober 2001, Az. 11 KLs 1/01, und des Landgerichts Potsdam vom 26. April 2016, Az. 24 KLs 22/15, jeweils unter Anordnung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren wegen schweren Raubes und von sechs Jahren wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt worden. Aufgrund dessen befindet er sich derzeit im Maßregelvollzug der Asklepios Fachklinikum ... GmbH.

Die Anordnung der Unterbringung im Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. April 2016 hatte ihre Grundlage in einem damals eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. K.... In den Urteilsgründen heißt es dazu zunächst (Seite 23), der Sachverständige habe ausgeführt, der Angeklagte leide an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 61), die das Eingangsmerkmal der "schweren anderen seelischen Abartigkeit" im Sinne von § 20 StGB erfülle. Die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, die in Übereinstimmung mit den "elf Vorgutachten" getroffen werde, sei zulässig, da der Angeklagte Merkmale mehrerer Störungen des Abschnitts F 60 der ICD-10 aufweise, jedoch eben kein vorherrschendes Symptombild. Die allgemeinen Eingangskriterien einer Persönlichkeitsstörung, wie sie unter F 60 genannt würden, seien aber unstrittig gegeben. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung sei deshalb deutlich vermindert, aber nicht ausgeschlossen gewesen. Weiter heißt es in den Urteilsgründen (Seite 29) der Sachverständige habe überzeugend, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen dargelegt, dass es sich bei der die verminderte Schuldfähigkeit begründenden Ich-strukturellen Reifungsstörung mit daraus resultierender kombinierter Persönlichkeitsstörung, auf der die Begehung der Tat auch beruhe, um eine länger dauernde und nicht nur vorübergehende Störung handele.

Im Jahr 2018 hat die Asklepios Fachklinikum ... GmbH auf Grundlage von § 37 Abs. 4 BbgPsychKG in der damals geltenden Fassung ein externes psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten über den Verurteilten eingeholt. In diesem unter dem 06.07.2018 erstatteten Gutachten des Dr. med. T... L... aus B... an heißt es zur Frage der Diagnostik (Bl. 21-22 des Gutachtens, Sonderband-VH/1), in der nunmehr möglichen Zusammenschau sei aus gutachterlicher Sicht - unter Berücksichtigung einer fehlenden persönlichen Exploration des Verurteilten infolge seiner Verweigerung, nach Auswertung der Aktenunterlagen mit darin enthaltenen vielfältigen Befunderhebungen durch Therapeuten und Gutachter - festzustellen dass bei ihm eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung vorliege. Nach ICD-10 seien qualitativ und quantitativ am stärksten ausgeprägt dissoziale, narzisstische, emotional instabile-impulsive Merkmale, daneben auch deutliche paranoide, schizoide, histrionische und Borderline-Züge. Die im Cluster B der DSM-IV - TR aufgeführten Charakteristika seien bei ihm vollständig erfüllt, aber auch zum Teil Faktoren aus dem Cluster A. Gegen die alleinige Annahme einer kombinierten Persönlichkeitsstörung ICD-10 Nr. F 61.0, wie sie mehrfach diagnostiziert worden sei, seien allerdings Bedenken anzumelden. Diese "Diagnose" dürfe nach der Definition der ICD-10 (Forschungskriterien) nur dann gestellt werden, wenn "Merkmale mehrerer verschiedener Störungen des Abschnitts F 60" vorlägen, "jedoch kein vorherrschende Symptombild, das die Kriterien für eine der spezifischen Persönlichkeitsstörung des Abschnitts SF 60 erfüllt".

Das aber treffe auf die dissozialen, narzisstischen, emotional instabilen-impulsiven Merkmale bei dem Verurteilten durchaus zu, da die jeweiligen Definitionen ihrer Merkmale vollständig erfüllt seien, während bezüglich seiner paranoiden, hitrionischen und Borderline-Züge die jeweils geforderten Kriterien nur teilweise vorlägen. Letztlich werde als diagnostische Zuordnung empfohlen:

Dissoziale Persönlichkeitsstörung ICD-10 Nr. F 60.2;

narzisstische Persönlichkeitsstörung ICD-10 Nr. F 60.80;

emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiven Typus ICD-10 Nr. F 60.30;

kombinierte Persönlichkeitsstörung ICD-10 Nr. F 61.0.

Mit Beschlüssen vom 8. Dezember 2017 und vom 14. Dezember 2018 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam jeweils die Fortdauer der Unt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge