Tenor

Funktionell zuständig ist die 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt als Miterbin der am 26.11.2019 verstorbenen Frau M... G...S...(im Folgenden: Erblasserin) den Antragsgegner unter Berufung darauf, dass er Betreuer sowie Konto- und Generalbevollmächtigter der Erblasserin gewesen sei, auf Auskunft - unter anderem - über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin durch Vorlage eines vollständigen Nachlass- und Bestandsverzeichnisses in Anspruch.

Sie hat dazu mit anwaltlichem Schriftsatz vom 4.5.2022 beim Landgericht Cottbus die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Stufenklage beantragt. Die unter dem Gesichtspunkt ihrer Zuständigkeit für erbrechtliche Streitigkeiten im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG zunächst mit der Sache befasste 3. Zivilkammer des Landgerichts hat das Vorliegen einer erbrechtlichen Streitigkeit verneint und die Sache der 4. Zivilkammer als der zuständigen allgemeinen Zivilkammer vorgelegt. Die 4. Zivilkammer hat unter dem 28.9.2022 die Antragsschrift dem Antragsgegner zur Stellungnahme zugeleitet; gleichzeitig hat sie die Parteien darauf hingewiesen, dass sie und die 3. Zivilkammer uneinig über das Vorliegen einer erbrechtlichen Streitigkeit seien, und dazu ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Darauf haben der Antragsgegner mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.10.2022 und die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 14.10.2022 und 24.11.2022 vorgetragen.

Durch Beschluss vom 2.12.2022 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus sich für unzuständig erklärt mit der Begründung, dass eine erbrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG vorliege. Die daraufhin erneut mit der Sache befasste 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus hat sich durch Beschluss vom 22.12.2022 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

II. Auf die Vorlage durch die 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus ist deren funktionelle Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht über den vorliegenden Zuständigkeitsstreit zu entscheiden. Die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist nach allgemeiner Auffassung auf Fälle wie den vorliegenden, in denen mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung dieses Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung wie der des § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG abhängt, entsprechend anzuwenden (Senat, Beschluss vom 17.5.2021, 1 AR 20/21 (SA Z), zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom 15.9.2020, 101 AR 99/20, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 22.3.2018, 2 AR 11/18, zitiert nach juris; OLG Nürnberg MDR 2018, 1015, 1016; OLG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2018, 6 AR 17/18, zitiert nach juris; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 36 Rn. 39; MünchKomm./Patzina, ZPO, 6. Aufl. § 36 Rn. 6; jeweils m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

a) Die Vorschrift eröffnet die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts auch im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vor der Rechtshängigkeit der Hauptsache, wenn - wie hier geschehen - das Verfahren durch die Mitteilung der Antragsschrift an die gegnerische Prozesspartei in Gang gesetzt worden ist (BGH, Beschluss vom 16.4.2019, X ARZ 143/19, zitiert nach juris; Beschluss vom 30.7.2009, Xa ARZ 167/09, zitiert nach juris).

b) Sowohl die 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus als auch die 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar erstere durch den Beschluss vom 2.12.2022 und letztere durch den Vorlagebeschluss vom 22.12.2022. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, a.a.O., § 36, Rn. 34 f.).

3. Die Zuständigkeit der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus folgt aus der Bindungswirkung der Beschlussfassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts vom 2.12.2022.

a) Die Regelungen in § 281 Abs. 2 Satz 2, 4 ZPO sind auf die Frage des Bestehens einer funktionellen Zuständigkeit nach §§ 72a, 119a GVG entsprechend anzuwenden (BGH, Beschluss vom 26.7.2022, X ARZ 3/22, zitiert nach juris). Der Senat gibt im Lichte der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung seine frühere Rechtsprechung, dass auf Abgaben und Verweisungen im Zusammenhang mit § 72a GVG die Vorschriften des § 281 ZPO weder direkt noch analog anwendbar seien (Senat, Beschluss vom 30.12.2021, 1 AR 47/21 (SA Z)), auf.

b) Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann die Bindungswirkung nu...

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