Leitsatz (amtlich)

Kindergeld stellt im Sinne der für die Prozesskostenhilfebewilligung maßgeblichen Bedürftigkeit einzusetzendes Einkommen dar.

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 05.11.2003; Aktenzeichen 22 F 351/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Frage, ob das an den Bedürftigen gezahlte Kindergeld Einkommen gem. § 115 Abs. 1 ZPO ist, zugelassen.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Den Berechnungen des AG in der Anlage zum angefochtenen Beschluss ist grundsätzlich zu folgen. Soweit das AG jedoch Kosten für die Unterkunft i.H.v. insgesamt 381,10 Euro abgesetzt hat, entspricht dies nicht der gesetzlichen Regelung. Nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO sind die Kosten der Unterkunft und Heizung abzugsfähig. Die Unterkunftskosten betreffen insoweit die Kosten der Nettokaltmiete von 276,10 Euro ; zzgl. der Heizungskosten von 69 Euro sind 345,10 Euro anzurechnen, statt der vom AG insgesamt angerechneten 381,10 Euro. Den im Übrigen zutreffenden Berechnungen des AG folgend, verbleibt deshalb ein anzusetzendes Einkommen des Antragsgegners von 465,58 Euro monatlich.

Soweit der Antragsgegner die Berücksichtigung des an ihn gezahlten Kindergeldes als Bestandteil seines Einkommens im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung rügt, ist dem nicht zu folgen. Der Senat gibt seine Rechtsprechung, nach der die Anrechnung des Kindergeldes kein einzusetzendes Einkommen im Sinne der für die Prozesskostenhilfebewilligung maßgeblichen Bedürftigkeit ist (OLG Brandenburg v. 12.3.2001 - 9 WF 28/01, MDR 2001, 648 = OLGReport Brandenburg 2001, 531 [532]), hiermit auf.

Das Kindergeld ist grundsätzlich Einkommen desjenigen Elternteils, der es erhält, da es jedenfalls bei minderjährigen Kindern in der Regel nicht den Kindern, sondern den Eltern zusteht. In diesen Fällen handelt es sich bei dem Kindergeld um unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen, wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat (OLG Brandenburg ZFJ 2002, 235 [236]). Mag das Kindergeld auch keine Auswirkungen bei der Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten haben, dient es gleichwohl der Erleichterung der Unterhaltslast der Eltern und stellt deshalb aus Sicht der Eltern eigenes Einkommen dar. Dafür spricht auch, dass § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO denselben Einkommensbegriff wie § 76 Abs. 1 S. 1 BSHG verwendet. Die auf Grundlage des BSHG gewährte Sozialhilfe berücksichtigt das Kindergeld jedoch ohne weiteres und in voller Höhe als relevantes Einkommen des Sozialhilfeempfängers. Dem bestehenden Bedarf des Kindes wird bei der Prozesskostenhilfe durch einen Freibetrag zugunsten des Bedürftigen Rücksicht getragen, wobei dieser Freibetrag in etwa die Höhe des Existenzminimums bildet (zum Ganzen Nickel, Die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, FamRB 2003, 263 [264]). Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung der Prozesskostenhilfe ist das Kindergeld daher in vollem Umfang als Einkommen desjenigen zuzurechnen, der es tatsächlich bezieht (nunmehr wohl h.M., vgl. nur die umfangreichen Nachweise - auch zu den Gegenmeinungen - bei Nickel, Die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, FamRB 2003, 263 f.; zuletzt OLG München FamRZ 2004, 382).

Da der Senat von einer Entscheidung des BGH (BGH FamRZ 1997, 806 f.) bzw. verschiedenen OLG (vgl. auch insoweit auch die Nachweise bei Nickel, Die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, FamRB 2003, 263) abweicht, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist daher geboten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1163528

FamRZ 2004, 1498

MDR 2004, 1187

ZfJ 2004, 475

JWO-FamR 2004, 275

OLGR-NBL 2004, 285

www.judicialis.de 2004

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