Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gelten staatliche Kindergeldleistungen in voller Höhe als Einkommen desjenigen Elternteils, der es bezieht.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Wismar (Beschluss vom 02.10.2003; Aktenzeichen 3 F 249/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Wismar - FamG - v. 2.10.2003 - 3 F 249/03, dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin auf die Kosten der Prozessführung aus ihrem Einkommen monatliche Raten i.H.v. 45 Euro zu entrichten hat.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss v. 2.10.2003 hat das FamG der Antragstellerin für ihren Antrag auf Ehescheidung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt und eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung i.H.v. 60 Euro ab 1.12.2003 angeordnet.
Gegen die Festsetzung der Raten richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, ihre wirtschaftliche Situation rechtfertige die Gewährung von ratenfreier Prozesskostenhilfe.
Mit Beschluss v. 17.11.2002 half das FamG dem Rechtsmittel nicht ab. Bei der Berechnung des von der Antragstellerin einzusetzenden Einkommens habe der ihr vom Ehemann gezahlte monatliche Trennungsunterhalt, das Erziehungsgeld für die Tochter St. und auch das für ihre drei minderjährigen Kinder gewährte staatliche Kindergeld i.H.v. insgesamt 462 Euro im Monat Berücksichtigung zu finden. Neben den Freibeträgen gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO - für die Kinder reduziert um Unterhaltszahlungen der Väter - seien Unterkunfts- und Fahrtkosten, Kreditzahlungen sowie eine Miete für eine Garage in Abzug zu bringen.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Herabsetzung der monatlich von der Antragstellerin auf die Prozesskosten zu zahlenden Rate auf 45 Euro.
Das FamG hat zu Recht das an die Antragstellerin gezahlte staatliche Kindergeld für die in ihrer alleinigen Obhut lebenden drei Kinder als Einkommensbestandteil angesehen.
Der Senat gibt seine frühere gegenteilige Rechtsprechung (zuletzt OLG Rostock, Beschl. v. 31.3.2004 - 10 WF 157/03) auf und schließt sich der - wohl nunmehr herrschenden - Meinung (OLG München FamRZ 2004, 382; OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1498; sowie die zahlreichen Nachweise zum Meinungstand in Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 115 Rz. 19) an, wonach staatliche Kindergeldleistungen in voller Höhe grundsätzlich Einkommen desjenigen Elternteils sind, der es bezieht.
Kindergeld steht nicht den Kindern, sondern den Eltern zu. Das staatliche Kindergeld wird den unterhaltsverpflichteten Eltern unabhängig von deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen zur Erleichterung ihrer Unterhaltslast gewährt und ist deshalb aus Sicht der Eltern in vollem Umfang Teil des eigenen Einkommens. Es tritt hinzu, dass der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO mit dem des § 76 Abs. 1 BSHG übereinstimmt. Prozesskostenhilfe ist vom Gesetzgeber als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege konzipiert (Garbe/Oelkers, Praktische Arbeitshilfen zur erfolgreichen Bearbeitung von Familiensachen, Teil 5, Kap. 3.2.4.4 S. 20). Im Sozialhilferecht ist jedoch anerkannt, dass das Kindergeld ohne weiteres und in voller Höhe als relevantes Einkommen Berücksichtigung zu finden hat. Eine andere Wertung im Bereich der Prozesskostenhilfe ist nicht vertretbar, zumal der Unterhaltslast ggü. Kindern mit der Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO zugunsten der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei Rechnung getragen wird (OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1498; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 115 Rz. 19). Soweit im materiellen Unterhaltsrecht andersartige Kindergeldverrechnungen vorzunehmen sind, beruhen diese allein auf den dort gegebenen besonderen Bewertungskriterien, die mithin auf die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Prozesskostenhilfeverfahren ohne Einfluss bleiben müssen (OLG München FamRZ 2004, 382).
Obgleich das für die Tochter Stella gewährte Erziehungsgeld mittlerweile in Wegfall geraten ist, weist der Senat darauf hin, dass Erziehungsgeld - entgegen der Ansicht des FamG - grundsätzlich anrechnungsfrei verbleiben muss, da diese zweckgebundene Leistung dem Erziehenden ohne Einschränkung zugute kommen und gem. § 8 Abs. 1 S. 1 BErzGG nicht zu einer Minderung anderer Sozialleistungen führen soll (OLG Nürnberg v. 19.1.2001 - 10 WF 4448/00, OLGReport Nürnberg 2001, 251 = FamRZ 2002, 104; OLG München v. 5.5.2004 - 12 WF 1039/04, OLGReport München 2004, 286 = FamRZ 2004, 1498; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 115 Rz. 15, m.w.N.).
Neben den Unterhaltszahlungen des Ehegatten und dem Kindergeld muss sich die Antragstellerin auch das ihr gewährte, jedoch vom FamG nicht berücksichtige Wohngeld als Einkommen zurechnen lassen (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 115 Rz. ...