Leitsatz (amtlich)
1. Anwaltshaftung bei Untätigkeit - zur Unterbrechung der Kausalität durch Gerichtsfehler oder Verhalten Dritter.
2. Hängt die Haftung des Anwalts vom Ausgang eines Vorprozesses ab, hat das Regressgericht nicht darauf abzustellen, wie jener voraussichtlich geendet hätte, sondern, auf der Grundlage des Parteivorbringens im Regressprozess, selbst zu entscheiden, welches Urteil richtigerweise hätte ergehen müssen.
3. Darlegungs- und Beweislast im Anwaltsregress wegen fehlerhaft geführter Unterhaltsabänderungs- und Scheidungsverfahren
4. Die Schadensermittlung im Anwaltsregress erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in die Schadensberechnung einzubeziehen. Dies umfasst im Falle einer Scheidung die damit einhergehenden Vermögensnachteile.
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Aktenzeichen 3a O 221/14) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 24.11.2015, Az. 3a O 221/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
Sollten weiterer tatsächlicher Vortrag oder die Darlegungen der Parteien zu den aufgeworfenen Rechtsfragen keine wesentlich andere Beurteilung erfordern, wird sich die Berufung als unbegründet erweisen, weil ein Schaden des Klägers aus vielfältigen Gründen nicht festzustellen ist.
1. Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus Rechtsberaterverträgen.
Der am ...1948 geborene Kläger heiratete am ..1969 die am ..1949 geborene ... Nach Trennung der Eheleute am 16.06.1998 beauftragte er im November 1999 den Beklagten mit der Durchführung des Ehescheidungsverfahrens.
Nach Titulierung eines Trennungsunterhaltsanspruches über 300 EUR monatlich zu Gunsten der Ehefrau ab 01.04.2005 in einem Unterhaltsabänderungsverfahren (AG Perleberg ..) beauftragte der Kläger, ein Polizeibeamter, den Beklagten in der Folgezeit mit einer weiteren Abänderung des bestehenden Titels auf Null, da sich seine Bezüge ab Juni 2008 wegen Eintritts in den Vorruhestand vermindert hatten.
Anfang 2013 kündigte der Kläger die Mandate mit dem Beklagten. Die Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 20.06.2013, rechtskräftig seit dem 03.09.2013, geschieden, unter Durchführung des Versorgungsausgleichs und Zurückweisung eines Antrags der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt (23 f.).
Der Kläger hat vom Beklagten 18.900 EUR Schadensersatz beansprucht und diesen hergeleitet aus Untätigkeit des Beklagten sowie aus Trennungsunterhaltszahlungen über monatlich 300 EUR während der 63 Monate vom 01.06.2008 bis 31.08.2013. Bei pflichtgemäßer Tätigkeit wäre seiner Ansicht nach der Trennungsunterhalt ab Juni 2008 auf Null abgeändert worden. Zudem wäre bei pflichtgemäßer Tätigkeit des Beklagten die Ehe des Klägers im Juni 2008 geschieden worden, ohne dass er nachehelichen Unterhalt hätte zahlen müssen.
Der Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten. Dessen Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt hätte in Ansehung der Einkommensverhältnisse der Eheleute unvermindert fortbestanden. Auch hätte ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Ehefrau mindestens in bisheriger Höhe bestanden, da sie nach Wegfall ihrer Beihilfeberechtigung in 2008 monatliche Aufwendungen für private Krankenversicherung in Höhe von mindestens 800 EUR gehabt hätte.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil i.H.v. 2841,30 EUR aufrechterhalten, im Übrigen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe das Abänderungsverfahren schuldhaft unterlassen. Bei einem bereinigten Einkommen des Klägers von 1423,97 EUR und der Ehefrau von 914,17 EUR ergebe sich ein Trennungsunterhaltsanspruch von nur noch 254,90 EUR, also ein Abänderungsbetrag zu Gunsten des Klägers von monatlich 45,10 EUR und bei 63 Monaten ein Gesamtschaden von 2841,30 EUR. Einen weitergehenden Schaden hat das Landgericht mit der Begründung verneint, dass die Dauer des Scheidungsverfahrens auf kein Fehlverhalten des Beklagten zurückzuführen sei und die Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt im Scheidungsbeschluss keinen Rückschluss auf eine gleiche Entscheidung in den Vorjahren trage.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine Schadensersatzansprüche im Umfang seines erstinstanzlichen Unterliegens uneingeschrä...