Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Rechtsanwalts: Umfang der anwaltlichen Beratungspflicht
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Entscheidung vom 24.04.2015; Aktenzeichen 3 O 272/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 24.04.2015, 3 O 272/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 24.04.2015 wird für ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar erklärt.
4. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.335,90 EUR festgesetzt.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Rechtsanwältin auf Schadensersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung im Zusammenhang mit einem der Beklagten erteilten familienrechtlichen Mandat in Anspruch.
Die Klägerin war seit dem 25.08.2004 in zweiter Ehe mit Herrn ... verheiratet, von dem sie sich spätestens Anfang Mai 2011 trennte. Am 05.05.2011 suchte die Klägerin die Beklagte, die sie schon in ihrem ersten Ehescheidungsverfahren vertreten hatte, in deren Anwaltskanzlei in ... auf. Die näheren Umstände einer vorherigen Terminsvereinbarung sind zwischen den Parteien streitig. Anlässlich dieses Termins, zu dem die Klägerin keinerlei Unterlagen mitbrachte, unterzeichnete die Klägerin eine Vollmacht. Die Vollmachtsurkunde ist teilweise mit Schreibmaschine, teilweise handschriftlich ausgefüllt worden. In der Betreffzeile wurde in Sachen ".../..." mit Schreibmaschine ausgefüllt, während der weitere Betreff wegen "Ehescheidung, Folgesachen" und das Datum handschriftlich ausgefüllt wurden. Über das Gespräch mit der Klägerin am 05.05.2011 fertigte die Beklagte eine Besprechungsnotiz an, die folgenden Inhalt hatte:
"Vollmacht auf Vorsicht falls er blöd wird
er hat schl. Gewissen -≫ zahlt freiwillig mehr als er müsste
-≫ zuwarten bis nä Jahr
will derzeit keine Scheidung"
Zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung lebte die Klägerin bereits auf .... Weitere Tätigkeiten entfaltete die Beklagte nach dem Besprechungstermin vom 05.05.2011 nicht.
Am 17.10.2012 meldete sich die Beklagte telefonisch bei der Klägerin. Über das Telefonat fertigte die Beklagte eine weitere Besprechungsnotiz mit folgendem Inhalt:
17.10. Mdt will die Sache jetzt anstoßen
will erst e. Vereinb ü e. ZA Zahlung
-≫ er soll vorschlagen
... sensibel = sehr vorsichtig behandeln
wechselseitiger U-Verz
Verzicht auf LV + Renten
sie hat Rente
erst wenn V steht -≫ Scheidung"
Mit Email vom 24.10.2012 an die Klägerin berichtete die Beklagte, sie habe mit dem Ehemann der Klägerin telefoniert. Es sei über den Verfahrenskostenvorschuss gesprochen worden und über die Möglichkeit, "eine noch zu treffende Vereinbarung hier in ... beurkunden zu lassen". Angesprochen habe sie auch einen möglichen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs. Mit Email vom 30.10.2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten und legte ihre Interessen im Hinblick auf einen Zugewinnausgleich sowie einen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs dar.
Am 20.11.2012 stellte die Beklagte im Namen der Klägerin Ehescheidungsantrag zum Amtsgericht Heidelberg. Im Scheidungsantrag ist zu den Folgesachen wie folgt ausgeführt:
"Mit Ausnahme des Zugewinnausgleichs, mit welchem ebenfalls eine gütliche Lösung beidseits angestrebt ist, sind sich die Eheleute über sämtliche Folgesachen im Reinen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin bislang eine geringere Unterhaltsleistung freiwillig erbracht. Nachehelicher Unterhalt ist nicht beabsichtigt geltend zu machen. Der Hausrat ist einvernehmlich verteilt. Die Verhältnisse zur Ehewohnung geklärt. Kinder haben die Beteiligten keine."
Im August 2013 kündigte die Klägerin das Mandat mit der Beklagten. In der Folge beauftragte die Klägerin Frau Rechtsanwältin ..., die sie auch im vorliegenden Rechtsstreit vertritt, mit der Geltendmachung von Trennungsunterhaltsansprüchen gegenüber ihrem Ehemann. Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 30.04.2014 verpflichtete sich der Ehemann zum Zweck der Erledigung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, an die Klägerin ab Mai 2014 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 700 EUR zu zahlen. In der am 21.10.2015 gerichtlich protokollierten Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin ferner zur Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt in Höhe von 700 EUR monatlich bis zum 30.06.2018.
Mit Schreiben vom 31.10.2013 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr den aus der unterbliebenen Geltendmachung von Trennungsunterhaltsansprüchen entstandenen Schaden zu erstatten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz des nicht geltend gemachten Trennungsunter...