Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt, der mit der Pfändung einer Forderung des Schuldners beauftragt ist, hat den Mandanten nach Erwirkung weiterer Vollstreckungstitel gegen denselben Schuldner darauf hinzuweisen, dass es ratsam ist, aus den weiteren Titeln erneut in die bereits gepfändete Forderung zu vollstrecken, sofern die Aussicht besteht, dass dadurch auch die hinzugekommenen Ansprüche wenigstens teilweise realisiert werden können.
2. Die Verjährung des Regressanspruchs gegen einen Rechtsanwalt beginnt erst, wenn dem Mandanten ein Schaden entstanden ist; das bloße Risiko eines Vermögensnachteils genügt dafür nicht. Bei einer unterlassenen Pfändungsmaßnahme tritt der Schaden erst ein, wenn eine Pfändung nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden kann.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 11.09.2014; Aktenzeichen 10 O 400/13) |
Tenor
Unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 11.09.2014 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 48.750,59 EUR nebst Zinsen iHvon 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 22.116,90 EUR vom 23.01.2013 bis zum 18.12.2013 und aus 48.750,59 EUR ab dem 19.12.2013 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten iHvon 892,44 EUR nebst Zinsen iHvon 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 17 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 83 %.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung iHvon 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen im Rahmen der Vertretung in einem Scheidungsverfahren nebst Folgesachen geltend. Die Beklagten hatten im Auftrag der Klägerin mehrere Titel gegen deren vormaligen Ehemann erstritten. Die Beklagten erwirkten am 23.10.2003 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss; gepfändet wurde die Forderung des geschiedenen Ehemannes aus einem Lebensversicherungsvertrag bei der H. Lebensversicherungs AG, allerdings nur wegen des rückständigen und bereits fälligen Trennungsunterhalts, der im Vergleich des AG Mönchen-gladbach 30 F 26/02 vom 06.11.2002 (B1= GA 38) und im Urteil des AG Mönchen-gladbach vom 15.08.2003, 30 F 6/03 (B2= GA 41ff) tituliert war. Weitergehende Pfändungen, insbesondere eine Dauerpfändung wegen der ebenfalls titulierten, zukünftig fällig werdenden Ansprüche auf Trennungsunterhalt erwirkten die Beklagen hingegen nicht. Dies hatte zur Folge, dass das Guthaben aus der Lebensversicherung iHvon insgesamt EUR 87.948,25 nur iHvon EUR 28.875,60 zugunsten der Klägerin und im Übrigen iHvon EUR 59.072,65 an die Lebensgefährtin des geschiedenen Ehemannes, Frau T., ausgezahlt wurde.
Die Klägerin hat geltend gemacht, bei pflichtgemäßer Vertretung hätten die Beklagten aufgrund der übrigen Titel eine weiter gehende Pfändung und Überweisung der Ansprüche aus der Lebensversicherung erwirken müssen. Da dies nicht geschehen sei, schuldeten die Beklagten den "entgangenen" Betrag aus der Lebensversicherung von EUR 59.072,65 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten iHvon EUR 892,44, jeweils nebst Zinsen als Schadensersatz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils GA 244 bis 251 Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von EUR 48.803,61 nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten iHvon EUR 892,44 nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Unabhängig vom Umfang des erteilten Mandats, seien die Beklagten auch bei einem nur eingeschränkten Mandat jedenfalls verpflichtet gewesen, die Interessen der Klägerin zu wahren und erkennbare Vollstreckungsmöglichkeiten aufzuweisen. In diesem Zuge hätten sie die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass der wesentliche Vermögenswert des Schuldners, namentlich die Lebensversicherung, auch für eine Vollstreckung aus anderen Titeln herhalten könne. Ebenso hätten die Beklagten auf die mehrfachen Nachfragen der Drittschuldnerin (H. Lebensversicherungs AG) die ihnen bekannten weiteren offenen Forderungen mitteilen müssen. Es sei zu vermuten, dass die Klägerin sich beratungsgerecht verhalten und den Beklagten einen einschränkungslosen (Voraus-)Pfändungsauftrag erteilt hätte.
Zu ersetzen sei der Schaden, der der Klägerin infolge der nicht rechtzeitig ausgebrachten Pfändung entstanden sei; dieser bestehe in denjenigen Forderungen, welche die Klägerin zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme an Frau T...