Entscheidungsstichwort (Thema)
Formmangel der Revisionsbegründung
Leitsatz (redaktionell)
1. Unterzeichnung bedeutet, dass wenigstens andeutungsweise Buchstaben erkennbar sein müssen, da es andernfalls bereits an dem Merkmal einer Schrift fehlt.
2. Nach § 345 Abs. 2 StPO ist eine von dem Verteidiger "unterzeichnete" Begründungsschrift erforderlich.
Tenor
1. Die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 14. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens und seine hierin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I. Das Amtsgericht ... hat den Angeklagten am 14. Mai 2012 wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte am 26. Oktober 2011 gegen 19:30 Uhr in ... bei einer Versammlung der ... vor dem Betreten des Rednerpodestes zum Zwecke des Abhaltens seines (äußerst kurzen) Redebeitrages sein Gesicht derart verhüllt, dass nur noch der Bereich seiner Augen zu sehen war. Unmittelbar nach dem Verlassen des Rednerpodestes gab er sein Gesicht wieder frei. Der Angeklagte ließ sich dahingehend ein, sein Gesicht nur verhüllt zu haben, um sich auf dem Podest vor fotografischen Ablichtungen zu schützen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit am 15. Mai 2012 per Telefax beim Amtsgericht ... eingegangene Revision, die mit Schriftsatz vom 15. Juli 2012 begründet wurde.
Die Revision und die Revisionsbegründung sind am Ende des jeweiligen Textes mit einer von unten links nach oben rechts verlaufenden, wellenförmigen Linie versehen. Unterhalb dieses Gebildes sind in der nachstehenden Reihenfolge direkt untereinander die Worte "...." und "Rechtsanwalt" abgedruckt.
Mit Schreiben vom 7. September 2012 erklärte der Verteidiger des Angeklagten: "Bei der Unterschrift handelt es sich um ein großes "..." und (zugegebenermaßen) einen recht kurzen Namenszug."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen, da die Revisionsbegründungsschrift keine Unterschrift aufweise.
II. Die gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO im Grundsatz statthafte Sprungrevision des Angeklagten war wegen eines Verstoßes gegen § 345 Abs. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Die Schriftsätze vom 15. Mai und 15. Juli 2012, mit denen der Verteidiger des Angeklagten das Rechtsmittel eingelegt und begründet hat, sind von ihm mit einem Gebilde unterzeichnet worden, das weder einzelne Buchstaben erkennen lässt noch als Ganzes lesbar ist.
a) Diese Art zu unterschreiben begegnet im Hinblick auf die Einlegung der Revision keinen Bedenken. Für sie verlangt § 341 Abs. 1 StPO nur, dass sie schriftlich zu geschehen hat. Die Schriftform ist bereits dann gewahrt, wenn aus dem Schriftstück in irgendeiner, jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem es herrührt (vgl. BGHSt 12, 317; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage Einl. Rn. 128). Hiervon konnte der Senat aufgrund der von dem Telefaxanschluss des Verteidigers des Angeklagten aus an das Tatgericht übersandten sowie mit dessen Kanzleibriefkopf versehenen Schriftsätze noch ausgehen.
b) Anders verhält es sich jedoch mit der Revisionsbegründung.
aa) Für sie reicht die bloße Schriftform nicht aus. Vielmehr ist, sofern die Revisionsbegründung nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird, gemäß § 345 Abs. 2 StPO eine von dem Verteidiger "unterzeichnete" Begründungsschrift erforderlich. Was unter einer Unterzeichnung in diesem Sinne zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch sowie dem Sinn und Zweck der Formvorschrift (vgl. BGHSt 12, 317). Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hieraus abgeleiteten Anforderungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Unterzeichnung in jedem Fall nicht lesbar zu sein braucht; Undeutlichkeiten und Verstümmelungen schaden also grundsätzlich nicht. Allerdings ist zu verlangen, dass wenigstens andeutungsweise Buchstaben erkennbar sein müssen, da es andernfalls bereits an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Darüber hinaus gehört es zum Wesen der Unterzeichnung, dass der Schriftzug einen individuellen und einmaligen Charakter aufweist, der die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnet, und somit die Nachahmung durch einen beliebigen Dritten zumindest erschwert (vgl. BGHSt 12, 317; BGH MDR 1964, 747; NJW 1967, 2310; NJW 1974, 1090; NJW 1975, 1704; NJW 1982, 1467; NJW 1985, 1227; BayObLGSt 2003, 73; OLG Nürnberg NJW 1961, 1777; Kuckein in: Karlsruher Kommentar zur StPO 5. Aufl. § 345 Rn. 12; Meyer-Goßner aaO. Rn. 129; BFH/NV 2002, 1604). Im Ergebnis muss mit dem Namen des Unterzeichnenden ein Mindestmaß an Ähnlichkeit in dem Sinne bestehen, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ihn aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (so auch BGHSt 12, 317; Meyer-Goßner aaO.). Diese gesteigerten Anforderungen dienen dazu, bei bestimmenden Schriftsätzen im Interesse eines gesicherten Verfahrensablaufs von vornherein möglich...