Tenor
Für das Verfahren über die Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist das Amtsgericht Lichtenberg zuständig.
Gründe
I. Für den Betroffenen, der sich seit dem 25. April 2019 wegen eines Polytraumas mit Schädelfraktur und intrakraniellen Blutungen im Unfallkrankenhaus Berlin befindet, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 30. April 2019 eine vorläufige Betreuung eingerichtet. Mit Beschluss vom 5. Juli 2019 genehmigte das Amtsgericht Lichtenberg befristet bis zum 2. August 2019 die Einwilligung der vorläufigen Betreuerin in verschiedene freiheitsentziehende Maßnahmen, nämlich bezüglich des Hochstellens von Bettgittern, des Anlegens eines Bauchgurtes sowie - bei Bedarf - einer Fünf-Punkt-Fixierung. Am 21. August 2019 wurde das Betreuungsverfahren in der Hauptsache vom Amtsgericht Fürstenwalde/Spree übernommen.
Nachdem die Betreuerin und die den Betroffenen behandelnde Oberärztin dem Amtsgericht Fürstenwalde/Spree am 21. August 2019 telefonisch mitgeteilt hatten, dass der Betroffene weiterhin ein Bettgitter benötige, erweiterte das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree die Betreuung zunächst mit Beschluss vom selben Tag unter anderem um den Aufgabenkreis der Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen, woraufhin die Betreuerin mit einem zunächst beim Amtsgericht Lichtenberg eingegangenen Antrag vom 24. August 2019 die Genehmigung von Bettgittern und eines Bauchgurtes im Rollstuhl für die Dauer von fünf Monaten beantragte.
Das Amtsgericht Lichtenberg hat diesen Antrag am 26. August 2019 an das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree weitergeleitet, das das Verfahren, soweit es um die Entscheidung über die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen geht, nach Anhörung der Betreuerin mit Beschluss vom 26. August 2019 gemäß § 314 FamFG an das Amtsgericht Lichtenberg abgegeben hat. Das Amtsgericht Lichtenberg hat sich seinerseits mit Beschluss vom 28. August 2019 für unzuständig erklärt, woraufhin das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree das Verfahren mit Beschluss vom selben Tag zur Bestimmung der Zuständigkeit dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt hat.
II. 1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 4 Satz 1, 413 FamFG durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichte der Bundesgerichtshof ist und das zum Bezirk des Brandenburgischen Oberlandesgerichts gehörende Amtsgericht Fürstenwalde/Spree aufgrund der telefonischen Ankündigung eines Bedarfs weiterer freiheitsentziehender Maßnahmen sowie der daraufhin ergangenen Entscheidung über die Erweiterung der vorläufigen Betreuung zuerst mit der Sache befasst war.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG liegen vor. Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree hat das Unterbringungsverfahren aus wichtigem Grund an das Amtsgericht Lichtenberg abgegeben, das sich zur Übernahme der Sache nicht bereit erklärt hat. Die für Unterbringungsverfahren geltende Vorschrift des § 314 FamFG ergänzt die allgemeine Regelung in § 4 FamFG für die Abgabe einer Unterbringungssache an ein anderes Gericht (KG, FGPrax 2010, 318; BeckOK/Günter, FamFG, 31. Ed., § 314 vor Rn. 1). Danach liegt ein wichtiger Grund zur Abgabe im Sinne des § 4 FamFG bereits dann vor, wenn die betroffene Person in einem anderen Amtsgerichtsbezirk untergebracht oder unterzubringen ist als im Bezirk des die Betreuungssache führenden Gerichts, an dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; maßgeblich ist allein der tatsächliche Aufenthalt (Münchener Kommentar/Schmidt-Recla, FamFG, 3. Auflage, § 314 Rn. 3). Auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen kommt es hingegen nicht an (KG, a.a.O; BeckOK/Günter, FamFG, 31. Ed., § 314 vor Rn. 3).
3. Zuständig ist das Amtsgericht Lichtenberg. Da der Betroffene derzeit und nach ärztlicher Einschätzung noch mindestens weitere fünf Monate in der Unfallklinik Berlin verbleiben wird, sind die freiheitsentziehenden Maßnahmen im dortigen Zuständigkeitsbereich zu vollziehen, so dass ein wichtiger Grund zur Abgabe durch das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree vorlag. Die für die Entscheidung über die anzuordnende Maßnahme erforderlichen Feststellungen sind, insbesondere durch Anhörung des Betroffenen und der behandelnden Ärzte, am aktuellen Aufenthaltsort des Betroffenen zu treffen. Dieser Gesichtspunkt dient nicht nur der Effektivität der gerichtlichen Verfahrensführung, sondern auch dem Schutz des Betroffenen, weil auf diese Weise sein Zugang zu einer richterlichen Entscheidung erleichtert und gewährleistet wird, dass der persönliche Eindruck, den der Richter bei der Anhörung des Betroffenen gewinnt, unmittelbar in dessen Entscheidung einfließt.
Fundstellen
Haufe-Index 13476336 |
BtPrax 2019, 255 |