Verfahrensgang
AG Lübben (Aktenzeichen 30 F 42/00) |
Gründe
Dem Kläger war für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit die Berufung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Soweit der Kläger mit der Berufung die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dahingehend begehrt, als er über die ihm ab dem 1. September 1999 zugesprochenen Unterhaltsbeträge Unterhalt in Höhe von 303 DM monatlich geltend macht, hat seine Berufung schon deshalb Erfolg, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, der zwingend zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht führt. Mangels Verkündung handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung nicht um ein wirkliches Urteil, sondern nur um einen Urteilsentwurf, der durch seine Zustellung an die Parteien zu einem Scheinurteil geworden ist, dass zwar mit der Berufung angefochten werden kann, aber für diesen Fall von der Berufungsinstanz sodann - unter Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz - zwingend aufzuheben ist.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2000 hat das Amtsgericht beschlossen, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung verkündet werden soll. Den Akten kann aber nicht entnommen werden, dass das angefochtene Urteil nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder zu einem anderen Termin verkündet worden ist, da die Akten kein Protokoll über die Verkündung enthalten. In den Akten befindet sich vielmehr eine Anlage zum Protokoll vom 7.7.2000 die handschriftlich den Urteilstenor enthält. Ferner befindet sich auf der Urschrift des Urteils lediglich der Verkündungsvermerk der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle "verkündet am 7.7.2000".
Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das angefochtene Urteil nicht verkündet worden und folglich nicht wirksam geworden ist. Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 und 7 ZPO ist die Urteilsverkündung im Protokoll festzuhalten; insoweit findet § 165 ZPO Anwendung (BGH, VersR 1985, 45; Zöller/Stoeber, ZPO, 21. Aufl., Rz. 2 zu § 165; Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., Rz. 15 zu § 160 Rn. 8 zu § 165). Der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angebrachte Verkündungsvermerk gemäß § 315 Abs. 3 ZPO ersetzt das erforderliche Verkündungsprotokoll nicht (OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 511; OLG Zweibrücken, OLGZ 1987, 371; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 3 zu § 311). Enthalten die Akten kein Verkündungsprotokoll, so ist gemäß § 165 ZPO davon auszugehen, dass eine Verkündung des Urteils unterblieben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus den Akten auch im übrigen, abgesehen von dem Verkündungsvermerk nach § 315 Abs. 2 ZPO, kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es zu einer Verkündung der Entscheidung gekommen ist.
Da ein Urteil durch die Verkündung gleichsam "geboren" wird, ist es ohne Verkündung kein wirkliches Urteil, sondern nur ein Urteilsentwurf. Im Falle seiner Zustellung an die Parteien wird es zu einem Scheinurteil, dass mit der Berufung angefochten werden kann und von der Berufungsinstanz - unter Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz - zwingend aufzuheben ist.
Entsprechend war auch dem Beklagten Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Anschlussberufung zu gewähren. Im übrigen war ihm notwendige Prozesskostenhilfe gemäß § 119 Satz 2 ZPO zu bewilligen.
Dagegen war dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe insoweit zu versagen, als er mit der Berufung die Klage um die in erster Instanz zurückgenommenen Unterhaltsbeträge für die Zeit vom 1.9.1998 bis 31.8.1999 erneut geltend macht. Die hierin liegende Klageerweiterung im Sinne des § 263 ZPO ist wegen der zwingenden Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz in der Berufungsinstanz als nicht sachdienlich anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2962314 |
FamRZ 2002, 467 |
NJW-RR 2002, 356 |