Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich gelten Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV und § 15a RVG auch im Verhältnis zwischen der Staatskasse und dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt.
2. Die Geschäftsgebühr ist auf die beim im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes entstandene Verfahrensgebühr nur anzurechnen, wenn sie tatsächlich bezahlt worden ist.
3. Der anzurechnende Teil der gezahlten Geschäftsgebühr ist zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung anzurechnen. Denn § 58 Abs. 2 RVG geht als Spezialvorschrift für die Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts der zum allgemeinen Gebührenrecht gehörenden Vorschrift des § 15a RVG vor.
4. Übersteigt die Hälfte der gezahlten Geschäftsgebühr die Differenz der Wahlanwaltsvergütung zu dem Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nicht, ist die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nicht zu kürzen.
Normenkette
RVG §§ 15a, 33, 45, 49, 56, 58
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 24.02.2010; Aktenzeichen 12 O 88/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.3.2010 wird der Beschluss des LG Frankfurt/O. vom 24.2.2010 abgeändert.
Auf die Erinnerung der Antragstellerin vom 11.2.2011 wird unter Abänderung des Beschlusses des LG Frankfurt/O. vom 26.1.2010 die Erinnerung der Antragsgegnerin vom 29.5.2009 gegen den Beschluss des LG Frankfurt/O. vom 30.10.2008 zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist dem Kläger mit Beschluss des LG Frankfurt/O. vom 18.6.2008 unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Vertretung in dem vor dem LG Frankfurt/O. unter dem Aktenzeichen 12 O 88/08 geführten Rechtsstreit als Rechtsanwalt beigeordnet worden.
Die Antragstellerin begehrt die Festsetzung ihrer Gebühren nach § 45 RVG. Der Gegenstandswert beträgt 10.000 EUR. Die Antragstellerin macht u.a. eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 314,60 EUR zzgl. Umsatzsteuer geltend. Sie hat in ihrem Antrag vom 6.10.2008 angegeben, die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr i.H.v. 631,80 EUR netto erhalten zu haben.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Rechtsanwaltsvergütung der Antragstellerin antragsgemäß i.H.v. 868,22 EUR festgesetzt. Dagegen hat die Bezirksrevisorin bei dem LG Frankfurt/O. Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Vergütung anderweitig auf 493,85 EUR festzusetzen. Sie hat gemeint, die 1,3-fache Geschäftsgebühr, die die Antragstellerin erhalten habe, sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so dass kein gegen die Staatskasse gerichteter Vergütungsanspruch hinsichtlich der Verfahrensgebühr bestehe.
Die Antragstellerin ist der Erinnerung entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand der Tätigkeit, für die sie die Geschäftsgebühr verdient habe, sei nicht mit dem Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens identisch gewesen. Die Geschäftsgebühr sei nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Zudem sei die angegebene Zahlung der Geschäftsgebühr gem. § 58 Abs. 2 RVG auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfeanwaltsvergütung anzurechnen.
Die Urkundsbeamtin des LG hat durch Beschluss vom 26.1.2010 der Erinnerung der Antragsgegnerin stattgegeben und hat die Vergütung der Antragstellerin auf 493,85 EUR festgesetzt sowie die Rückzahlung eines Betrages von 374,37 EUR angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV sei die Hälfte der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Dadurch vermindere sich die Verfahrensgebühr. Die Anrechnungsbestimmung sei auch bei der Vergütungsfestsetzung zugunsten eines im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts zu beachten. Die Antragstellerin sei in derselben Angelegnheit bereits vorgerichtlich für die Klägerin tätig gewesen, so dass eine 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV i.H.v. 631,80 EUR entstanden sei. Die Anrechnung der Hälfte der Geschäftsgebühr sei nicht durch § 58 Abs. 2 RVG ausgeschlossen.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin einen als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf eingelegt, mit der sie die Zurückweisung der Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung vom 30.10.2008 begehrt. Dem als (Zweit-)Erinnerung ausgelegten Rechtsbehelf hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen und ihn dem zuständigen Einzelrichter des LG zur Entscheidung vorgelegt.
Der Einzelrichter des LG hat durch Beschluss vom 24.2.2010 die Erinnerung der Antragstellerin zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 5.3.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 17.3.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 8.4.2010 dem OLG als Beschwerdegericht vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 und 4 RVG) der Antragstellerin ist begründet. Die Erin...