Leitsatz (amtlich)
1.
Die Erinnerung nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden.
2.
Grundsätzlich ist eine Nach- oder Rückforderung von Anwaltsgebühren dann nicht mehr möglich, wenn die Geltendmachung so lange verzögert wird, dass die Kostenberechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben.
3.
Das Erinnerungsrecht der Staatskasse erlischt jedoch in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 GKG mit Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahres.
4.
Die Beiordnung eines anderen Verteidigers als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers hat gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidigermandat abzurechnen ist. Dem als Vertreter bestellten Pflichtverteidiger stehen daher nur die Gebühren zu, die der Vertretene selbst hätte geltend machen können, wenn er die Tätigkeit ausgeübt hätte.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts C. vom 14. August 2007 wird als unbegründet verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Im vorliegenden Verfahren wurde dem Verurteilten D. Rechtsanwältin H. zur Pflichtverteidigerin bestellt. Am 13. Juli 2006 wurde der Antragsteller als Vertreter für die verhinderte Rechtsanwältin H. für diesen Verhandlungstag als Pflichtverteidiger bestellt. In dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 13. Juli 2006 ist folgendes vermerkt:
"RA B. erscheine für Frau RÄin H.
Herr D wird für den heutigen Tag von RA B. im Einvernehmen mit dem D. und in Vertretung für die heute verhinderte RÄin H. vertreten. Herr RA B. wird für den heutigen Tag als Pflichtverteidiger bestellt."
Mit Antrag vom 21. Juli 2006 rechnete der Antragsteller Pflichtverteidigergebühren für seine Tätigkeit in der Hauptverhandlung vom 13. Juli 2006 in Höhe von insgesamt 570,72 EUR ab. Enthalten darin waren neben der Terminsgebühr in Höhe von 216,- EUR die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 132,- EUR, die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG in Höhe von 124,- EUR und die Kostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- EUR. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die geltend gemachten Gebühren unter dem 18. August 2006 antragsgemäß fest und ordnete unter dem 28. August 2006 die Auszahlung an.
Gegen diese Festsetzung legte der Bezirksrevisor bei dem Landgericht C. unter dem 2. Juli 2007 Erinnerung ein. Er machte geltend, dass die bestellte Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin H., nur vorübergehend verhindert gewesen sei. Bei der Bestellung des Antragstellers als Pflichtverteidiger für den 13. Juli 2006 habe es sich lediglich um die Bestellung eines Vertreters für den Verhinderungszeitraum gehandelt. Dem Vertreter der Pflichtverteidigerin würden deshalb zwar die Terminsgebühr, nicht jedoch die Grund- und Verfahrensgebühr zustehen. Der Bezirksrevisor beantragte, die dem Antragsteller zustehende Vergütung deshalb anderweitig auf 250,56 EUR festzusetzen. Daraufhin hat die Rechtspflegerin des Landgerichts mit Beschluss vom 14. August 2007 die dem Antragsteller gegen die Landeskasse zustehenden Kosten unter Aufhebung der Festsetzung vom 18. August 2006 anderweitig auf 250,56 EUR festgesetzt und die Rückerstattung des gezahlten Differenzbetrages in Höhe von 320,16 EUR an die Landeskasse verlangt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 21. August 2007. Mit Beschluss vom 25. Juni 2009 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache den Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Beschluss vom 18. August 2009 hat der Einzelrichter die Sache wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil Klärungsbedarf besteht, ob die bisherige Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Mai 2008, Az.: 2 Ws 306/07) fortgeführt werden soll. Anlass dazu geben die seitdem ergangenen abweichenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. Juli 2008 (NJW 2008, 2935) und des Oberlandesgerichts München vom 23. Oktober 2008 (NStZ-RR 2009, 32).
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 2. Juli 2007 ist nicht verfristet.
Die Erinnerung nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden. Das ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG. Denn danach gilt im Verfahren über die Erinnerung § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und Abs. 8 RVG entsprechend. Auf § 33 Abs. 3 RVG, der in seinem Satz 3 bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen einzulegen ist, ist für das Verfahren über die Erinnerung nicht Bezug genommen. Soweit früher andere Auffassungen vertreten worden sind, hat der Gesetzgeber durch die Änderung des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG mit dem Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 klargestellt, dass für das Verfahren über die Erinnerung § 33 Abs. 3 RVG keine Anwendung findet. Daher sind heute frühere entgegenstehende Auffassungen überwiegend aufgegeben worde...