Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 16.04.2019; Aktenzeichen 27 Ns 65/18) |
AG Brandenburg (Aktenzeichen 21 Ls 20/18) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 16. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Berufungsstrafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht (Schöffengericht) Brandenburg an der Havel hat den Angeklagten am 14. August 2018 vom Vorwurf Vergewaltigung freigesprochen. Auf die hiergegen gerichteten Berufungen der Staatsanwaltschaft Potsdam und der Nebenklägerin hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam am 16. April 2019 das Urteil des Amtsgerichts (Schöffengericht) Brandenburg an der Havel vom 14. August 2018 aufgehoben und den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Gegen dieses Berufungsurteil hat der Angeklagte mit Anwaltsschreiben vom 23. April 2019, eingegangen beim Landgericht Potsdam am selben Tag, Revision eingelegt und diese nach Urteilszustellung am 24. Mai 2019 mit Verteidigerschriftsatz vom 21. Juni 2019, eingegangen bei Gericht am 24. Juni 2019, begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2019 beantragt, wie entschieden. Die Nebenklägerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Die Revision des Angeklagten ist gemäß § 333 StPO statthaft und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO, frist- und formgerecht bei Gericht angebracht worden, so dass sie sich insgesamt als zulässig erweist.
2. In der Sache hat die Revision Erfolg. Das Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Berufungsstrafkammer des Landgerichts Potsdam zurückzuverweisen.
Die der Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 261 StPO). Sie ist lückenhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2012 - 4 StR 305/12 -).
Da der Angeklagte nach der Urteilsdarstellung umfassend von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat und außer der Aussage der Zeugin T... gegen den Angeklagten keine weiteren belastenden Indizien für das Tatgeschehen sprechen, sind die Darstellungsvoraussetzungen, wie sie von der Rechtsprechung für eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation entwickelt wurden, zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 02. September 2015 - 2 StR 101/15 -; BGH NStZ-RR 2016, 87; Beschluss vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98 -; BGHR StPO 261 Beweiswürdigung 15; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2016 - 4 Ss 32/16 -). Die Entscheidung hängt also allein davon ab, ob das Tatgericht der einzigen Belastungszeugin glaubt. Der Tatrichter muss daher im Wege einer umfassenden Gesamtwürdigung alle möglicherweise entscheidungsbeeinflussenden Umstände darstellen und in seine Überlegungen einbeziehen, insbesondere ist die Aussage des einzigen Belastungszeugen einer sorgfältigen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGH a.a.O.). Grundsätzlich ist in Aussage-gegen-Aussage-Fällen davon auszugehen, dass die Aussage des Belastungszeugen unwahr ist. Erst wenn die weitere Prüfung ergibt, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, wird sie verworfen und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage des Zeugen handelt. Im Vordergrund stehen grundsätzlich die sich auf die Qualität einer Aussage beziehende Inhaltsanalyse anhand der Realkennzeichen und die Konstanzanalyse, die der Beurteilung des Aussageverhaltens einer Person insgesamt dient und sich auf aussageübergreifende Qualitätsmerkmale bezieht, die sich aus dem Vergleich von Angaben über denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergeben.
Das so gefundene Ergebnis gewinnt aber erst Bedeutung unter Berücksichtigung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Aussage. Zu diesem Zweck sind vor allem die Angaben der Personen, denen gegenüber sich das mögliche Tatopfer zu den Tatvorwürfen geäußert hat, zu berücksichtigen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30.05.2000 - 1 StR 582/99 -; BGH NStZ 2011, 45; zu den Grundprinzipien der Glaubhaftigkeitsüberprüfung vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 -; BGHSt 45, 164; Maul StraFo 2000, 257 ff.; BGH NStZ-RR 2014, 219).
Von Relevanz ist insbesondere, ob der Zeuge aus freien Stücken ausgesagt hat oder durch Dritte oder besondere Umstände hierzu gedrängt wurde. Auch muss sich aus dem Urteil ergeben, was der Zeuge bei früheren Vernehmungen zum Tatvorwurf bekundet hat. Dem Revisionsgericht ist eine Überprüfung der Entscheidung nur dann möglich, wenn die Aussage des einzigen Belastungszeugen insbesondere zur Beurteilung der Aussageentwicklung und Aussagekonstanz wiedergegeben und erörtert wird (vgl. BGH, ...