Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 04.10.2006; Aktenzeichen 22 KLs 32/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 2. großen Strafkammer (große Jugendkammer) des Landgerichts Potsdam vom 4. Oktober 2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der in einem vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Potsdam geführten Parallelverfahren angeklagte Zeuge ..........wurde in hiesiger Sache am 15. Februar 2006 von der Jugendstrafkammer des Landgerichts zeugenschaftlich vernommen. Beiden Verfahren zugrunde lag ein - zunächst zum Teil als versuchter Mord gewerteter - Vorfall vom 3. Juli 2005, als die rechtsextremistisch eingestellten Angeklagten in Potsdam zwei politisch Andersdenkende nach Verlassen einer Straßenbahn verfolgt und mit Fäusten geschlagen, mit beschuhten Füßen getreten sowie ihnen teilgefüllte Bierflaschen auf den Kopf geschlagen haben sollen. Dem Zeugen wurde mit Gerichtsbeschluss vom 15. Februar 2006 "für die Dauer seiner Vernehmung" sein Verteidiger, Rechtsanwalt......... aus Potsdam, gemäß § 68 b StPO zum Beistand bestellt. Die Vernehmung des Zeugen dauerte ca. zwei Stunden, in denen er zur Sache aussagte, wodurch er maßgeblich zur Verurteilung der Angeklagten beitrug, und in denen er von den fünf Verteidigern der vor der Kammer angeklagten Heranwachsenden intensiv befragt wurde.
Der Zeugenbeistand hat beantragt, die ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen auf der Basis der einem Verteidiger im erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Landgericht zustehenden Gebühren in Höhe von 695,16 EUR festzusetzen. Die Rechtspflegerin hat die Gebühren nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht entsprechend festgesetzt. Auf die Erinnerung des Vertreters der Landeskasse hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam in der Besetzung mit drei Berufsrichtern die erstattungsfähigen Gebühren auf 417,60 Euro ermäßigt und dabei u.a. eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr für Verteidiger (Vergütungsverzeichnis - VV - zum RVG Nr. 4112, 4114) angesetzt.
Hiergegen wendet sich der Vertreter der Landeskasse mit seiner von der Kammer mit Berichtigungsbeschluss vom 14. November 2006 zugelassenen Beschwerde, die eine Kostenerstattung auf der Grundlage ausgeübter Einzeltätigkeit (VV zum RVG Nr. 4301 Nr. 4: 168,- Euro) zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt in Höhe von lediglich 218,08 Euro, erstrebt.
II.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
a)
Das Rechtsmittel ist nach seiner Zulassung gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 33 Abs. 3 S. 2 RVG statthaft.
b)
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 2. Halbsatz RVG der Senat in voller Besetzung mit drei Berufsrichtern berufen, da die Strafkammer die angegriffene Entscheidung in entsprechender Besetzung gefasst hat. Zwar hat das Landgericht in diesem Zusammenhang verkannt, dass § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG eine originäre Einzelrichterzuständigkeit für Entscheidungen über Erinnerungen in Kostenfestsetzungssachen geschaffen hat, ohne dabei zwischen Strafsachen und übrigen Angelegenheiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu differenzieren; ihr war es deshalb keineswegs verwehrt, durch den Einzelrichter zu entscheiden, zumal eine Besetzung der Kammern des Landgerichts in unterschiedlicher Stärke dem Strafverfahren nicht schlechthin fremd ist.
Tragende verfassungsrechtliche oder strafprozessuale Grundsätze stehen einer Entscheidung des Landgerichts durch eines seiner Mitglieder als originärem Einzelrichter nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG nicht entgegen. Insbesondere gilt kein strafprozessualer Grundsatz des Inhalts, dass die in Rechtsmittelverfahren sachlich zuständigen Gerichte stets mit drei (Berufs-) Richtern besetzt sind. So lässt § 76 Abs. 2 GVG eine aus zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen bestehende Besetzung der großen Strafkammern beim Landgericht zu; gemäß § 76 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz sind die Strafkammern in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Strafrichters oder des Schöffengerichts (bei dem Amtsgericht) im Übrigen nur mit den Vorsitzenden (als Berufsrichter) und zwei Schöffen besetzt (kleine Strafkammer). Für die Besetzung der Strafsenate bei den Oberlandesgerichten lässt § 122 Abs. 1 GVG seinerseits Durchbrechungen der Regelbesetzung mit drei Berufsrichtern zu; dort ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass die Senate nur dann durch drei Richter einschließlich des Vorsitzenden entscheiden, wenn nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze anstelle des Senats der Einzelrichter zu entscheiden hat. "Prozessgesetz" in diesem Sinne ist etwa auch § 80 a OWiG in Bußgeldsachen.
Dem Einzelrichter die Entscheidungskompetenz über Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Rechtspfleger bei den Landgerichten in Strafsachen zu übertragen, ist auch mit anderen, allgemeinen, Grundsätzen des Strafverfahrens ve...