Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljährigenunterhalt. hier: Zur Frage der Privilegierung eines volljährigen Kindes, das ein Internat besucht
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob ein volljähriges Kind, das ein Internat besucht, noch als im Haushalt der Eltern lebend i.S.v. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB zu gelten hat mit der Folge, dass es zu den sog. privilegierten volljährigen Kindern gehört, ist streitig und darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der bedürftigen Partei beantwortet werden.
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Schwedt (Oder) (Beschluss vom 09.12.2003; Aktenzeichen 4 F 229/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig. Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 197).
Durch im vereinfachten Verfahren ergangenen Festsetzungsbeschluss vom 19.12.2002 hat das AG den Unterhalt für den Beklagten auf 100 % des Regelbetrages nach § 2 Regelbetrag-VO für die Zeit ab 28.2.2002 festgesetzt. Die Klägerin begehrt Abänderung dieses Beschlusses dahin, dem Beklagten ab 1.9.2003 Unterhalt nur noch i.H.v. 179 EUR monatlich leisten zu müssen. Diesem Begehren kann die Erfolgsaussicht zumindest für die Zeit ab 19.9.2003 nicht abgesprochen werden.
Bei der Klage handelt es sich um eine Abänderungsklage nach § 654 ZPO. Wird die Klage auf Herabsetzung des Unterhalts nicht innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung erhoben, darf die Abänderung nur für die Zeit nach Erhebung der Klage erfolgen, § 654 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Klägerin hat gegen den Festsetzungsbeschluss vom 19.12.2002 zunächst sofortige Beschwerde eingelegt, diese aber mit Schreiben vom 20.5.2003, beim OLG Brandenburg eingegangen am 22.5.2003, zurückgenommen. Eine Abänderung mit Wirkung auch für die Vergangenheit hätte daher nur bei einer Klageerhebung spätestens am 22.6.2003 erfolgen können. Vorliegend ist die Klage aber erst am 19.9.2003 beim AG eingegangen. Auf die Frage, wann die Klage erhoben, also zugestellt worden ist, § 253 Abs. 1 ZPO, kommt es dann nicht an, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO n.F. bzw. § 270 Abs. 3 ZPO a.F. In diesem Fall kann eine rückwirkende Herabsetzung auch bezogen auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung erfolgen (FamVerf/Schael, § 1 Rz. 448). Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin Abänderung grundsätzlich ab 19.9.2003 verlangen kann.
Das AG hat die Klägerin bei einem Einkommen von 1.287 EUR, das mit 512 EUR über dem notwendigen Selbstbehalt von 775 EUR (Nr. 21. 2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, Stand 1.7.2003) liegt, für hinreichend leistungsfähig angesehen, für den am 28.2.1990 geborenen Beklagten den durch den Beschl. v. 19.12.2002 titulierten Unterhalt auch unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht ggü. der am 8.8.1992 geborenen Tochter S. zu zahlen. Eine Unterhaltspflicht ggü. der am 21.5.1985 geborenen und damit volljährigen Tochter J. hat das AG als nachrangig angesehen, weil es sich bei der Tochter nicht um eine sog. privilegierte Volljährige i.S.v. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB handele. Denn J. lebe in einem Internat und damit nicht im Haushalt eines Elternteils. Diese Annahme ist zu Lasten der Klägerin im Prozesskostenhilfeverfahren nicht gerechtfertigt.
Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass von einer Haushaltsgemeinschaft nur ausgegangen werden könne, wenn das Kind bei den Eltern und in deren Haushalt seinen Alltag verbringe, was nicht der Fall sei, wenn das Kind in einem Internat sei und die Eltern nur am Wochenende besuche (so Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 3209). Demgegenüber wird aber auch die Ansicht vertreten, dass die Haushaltsgemeinschaft in der Regel dann fortbestehe, wenn das Kind in einem Internat lebe, aber am Wochenende und in den Ferien nach Hause zurückkehre (so Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 456; Luthin/Schumacher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rz. 3203; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., § 1603 Rz. 8a). Diese streitige Rechtsfrage darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der Klägerin beantwortet werden.
Soweit es bei der Frage, ob für das Begehren der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei hinreichende Erfolgsaussicht besteht, um die Rechts...