Leitsatz (amtlich)

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 74 Abs. 2 OWiG ist die Verwerfung des Einspruchs trotz Anwesenheit eines Verteidigers zwingend. Art. 6 Abs. 3 MRK und die Entscheidung des EGMR (Urteil v. 8. November 2012, Neziraj v. Bundesrepublik Deutschland) stehen dem nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Entscheidung vom 19.11.2013; Aktenzeichen 82.2 OWi 345/13)

 

Tenor

Auf den Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 19. November 2013 zugelassen.

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle der Polizei des Landes Brandenburg ahndete mit Bußgeldbescheid vom 17. Juni 2013 eine vom Betroffenen begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße in Höhe von 70,00 €. Der Betroffene hatte am 14. Februar 2013 um 10:06 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... auf der BAB ..., Kilometer 186, 411, auf der Höhe R... in Fahrtrichtung H... die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten. Bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 130 km/h war nach Toleranzabzug die von ihm gefahrene Geschwindigkeit mit 154 km/h festgestellt worden.

Nach form- und fristgerechtem Einspruch des Betroffenen terminierte das Amtsgericht die Hauptverhandlung auf den 19. November 2013. Da der Verteidiger des Betroffenen bereits mit Schreiben vom 22. Juli 2013 mitgeteilt hatte, dass nicht der Betroffene, sondern Herr U... J... das Fahrzeug gesteuert habe, lud das Amtsgericht mit Verfügung vom 13. August 2013 sowohl den Betroffenen als auch seinen Verteidiger sowie zu einem späteren Zeitpunkt auch den Zeugen J... zur Hauptverhandlung. Die Ladung ging dem Betroffenen am 16. August, seinem Verteidiger am 19. August 2013 zu. - Mit Schreiben vom 18. November 2013, das am selben Tag bei Gericht einging, bat der Verteidiger um Terminsverlegung, da sein Mandant einen geschäftlichen Termin in Rumänien habe, der sei langem anberaumt sei. Er legte eine Bestätigung des Flugauftrags bei. Mit Schreiben vom selben Tag, das noch an diesem Tag per Fax beim Verteidiger einging, lehnte das Amtsgericht die Terminsverlegung ab, da eine Verhinderung des Betroffenen aus dringenden beruflichen Gründen weder hinreichend konkretisiert behauptet noch glaubhaft gemacht worden sei. Die Ladung sei dem Betroffenen bereits am 16. August 2013 zugestellt worden. In dem Verlegungsantrag sei nicht dargelegt worden, weshalb der Betroffene trotz Ladung einen angeblichen Termin in Rumänien wahrzunehmen habe, der im Übrigen hinsichtlich Bedeutung und Umfang für die berufliche Tätigkeit nicht konkretisiert werde. Auch könne nicht auf die Anwesenheit des Betroffenen verzichtet werden, da er die Fahrereigenschaft bestreite und das Gericht ihn deshalb in Augenschein nehmen müsse.

Der Betroffene erschien bei Aufruf der Sache nicht. Das Amtsgericht lehnte den Antrag des Verteidigers auf Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen ab, da die Anwesenheit des Betroffenen zur Klärung der Fahrereigenschaft unabdingbar sei. Zwar sei der Zeuge U... J... im Zuschauerraum erschienen. Es liege aber keineswegs klar auf der Hand, dass der Zeuge der Fahrer des PKW gewesen sei, so dass der Betroffene zum Vergleich habe in Augenschein genommen werden müssen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid verworfen und ihm die Kosten des gerichtlichen Verfahrens auferlegt. Er sei trotz nachgewiesener Ladung ohne genügende Entschuldigung im Termin ausgeblieben, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden gewesen sei. Er habe eine dringende beruflich bedingte Unabkömmlichkeit weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Sein Verteidiger habe lediglich vorgetragen, dass er als Geschäftsführer eines Holzverarbeitungsbetriebes einen Termin in Rumänien wahrnehme, der seit langem anberaumt gewesen sei. Im Termin habe der Verteidiger zwar ergänzt, dass in Rumänien Gespräche über umfangreiche Waldaufkäufe stattfänden. In Anbetracht dessen aber, dass dem Betroffenen die Ladung zur Hauptverhandlung bereits am 16. August 2013 zugestellt worden sei, sei nicht ersichtlich, warum er seine beruflichen Termine ab Kenntnis vom Terminstag nicht entsprechend disponiert habe. Zudem habe er nicht dargelegt, worin die Dringlichkeit der persönlichen Wahrnehmung eines Termins in Rumänien liegen solle.

Gegen das Urteil hat der Betroffene mit Verteidigerschriftsatz vom 26. November 2013, der am selben Tag eingegangen ist, die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilgründe am 19. Dezember 2013 hat er mit Verteidigerschriftsatz vom 16. Januar 2014, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, den Antrag wie folgt begründet: Er rüge die Ver...

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